Da sitzt du nun in einem neuen Land und überlegst, was du machen, erleben, sehen möchtest …was es so zu entdecken gibt. Am ersten Tag habe ich mir das Centre Ville reingezogen. Nichts anderes, als in Manhattan, Seoul und Berlin. Ja, nur ein bisschen größer. (Fr)Essen und Shopping. Alles, alles. Lichter. Billboards. Kennen wir alles. Massen von Menschen, Einheimische und Touristen. Auch, wie überall. Und alles auf japanisch, is klar. Guten Tag und Danke sagen kann ich jetzt auch schon. Pflicht. Und die Verbeugung. Je tiefer, desto dankbarer!? Ich wohne in der B-Zone und das war ein guter Start.
Hab mir ein Taxi vom Hafen genommen. Ich dachte schon selbstfahrende Autos. Nein, so weit ist Japan dann doch noch nicht. Einfach nur Linksverkehr. Wusstet ihr das? Ich nicht. Ich steige in das Taxi und sage so richtig schön DEUTSCH: ‘So!’ Und schlage mir dabei auf die Oberschenkel. Erwischt! Und was sagt der Taxifahrer? Genau: ‘So!’ Also entweder steigt so jeder Deutsche ein oder er hat einfach Humor! Gefällt mir! Ich war so entspannt und hatte mir schon ein warmes Onigiri vom Späti reingedrückt, bevor ich mir Gedanken mache, wie ich von der Fähre ins Hostel komme. Gute Entscheidung.
Ich habe meinen Lieblingssnack entspannt vor dem Späti am Hafen gemampft und der türkischen Frauengruppe und rumänischen Familie beim hektischen Organisieren für den Transport zu den Hotels zugeschaut. Die Türkin fragte mich verwundert, warum ich nicht auch die Metro nehme? Ich mampfe und sage: ‘Ich weiß noch gar nichts! Ich esse gerade! Ich überlege mir gleich etwas!’ Ich setze mich dieser Hektik nicht mehr aus. Auf mich wartet nichts. Aber ich verstehe, wenn man nur 7 Tage in Japan hat und jede Minute nutzen will. Für mich ist das Thema durch. Ach so, die Türkinnen habe ich an der Grenzkontrolle in der Schlange ‘Ausländer’ kennengelernt. Eine ist in Frankfurt am Main geboren, ist aber dann in den 90er zurück in die Türkei. Sowas gab es auch?! #Shitstorm 3 2 1 ….
Ich wohne in der B-Zone. Normalität. Janz normales Wohngebiet. Keine Aufregung. Also auf japanisch. Osaka geht aber bis zur J-Zone. 18 Millionen. Mir winkte eine Dame schon aus einem Restaurant zu und bat mich rein. Ich lasse nur noch zu. Schöner Zustand. Dann habe ich es verstanden, man geht tagsüber durch ein Restaurant, um mit dem Fahrstuhl zu den Zimmern zu kommen. Geschafft. Ein unangenehmer Gast, männlich, fing mich im Flur ab und fragte mich nicht, ob ich Hilfe brauche, sondern erklärte mir gleich die Welt …dass ich einen Türcode für das Zimmer bräuchte, um reinzukommen und brabbelte noch irgendwelchen unaufgeforderten Bullshit! Ach was!? Ich habe PMS und Mansplaining ist jetzt genau das, was ich brauche, du dummes Schwein! Er hat alles abbekommen, was er mit diesem Verhalten verdient! Frau Klamm Vollversion! Ich erkläre den jüngeren Leuten im Hostel nicht, wie ich die Welt sehe, und erwarte auch nicht, dass sie meine Ansprüche ans Leben oder mein Denken übernehmen. Ich kann nicht erwarten, dass wir bei allem auf einem Level sind. Das geht ja gar nicht. Daher lasse ich viel Raum. Die mir ja auch! Denn manchmal sind mehr als 20 Jahre dazwischen. Ich weiß, wie ich mit 20 war und jetzt haben wir ja auch noch eine ganz andere Generation am Start! Klappt ja auch gut so. Ich genieße die Jugend in den Hostels! Aber bei diesem hohlen Kollegen gab es kein Halten mehr. Vor versammelter Mannschaft habe ich ihm mit Blicken und klaren Ansagen zu verstehen gegeben, wie er mich gerade angesprochen hat, dass er mir die Welt unaufgefordert erklärt und hier eine Show macht, ob ihm das Hostel gehört! Nicht mit mir. Im Gemeinschaftsraum haben alle ein freundliches Berliner Hallo bekommen! Der Typ hat mich nicht mehr angeguckt. Geht doch!
Ich bin noch voller Eindrücke von Korea und der Überfahrt … und einen Ohrwurm von Bruno Mars habe ich auch noch. Ich bin jetzt in Japan, muss ich mir immer wieder sagen! Ich entscheide, einen Spaziergang zu machen. 10.000 Schritte möchte ich täglich schaffen! Ich laufe los und es sind viele Fahrräder unterwegs. Linksverkehr, aufpassen! Ziel heute noch: Bargeld und ein kleiner Snack. Bin beim Späti und die Snackabteilung ein Paradies. Alles stöhnt immer, dass Japan so teuer ist …aber ich merke das hier nicht. Ja, ich wohne hier für 13 EUR die Nacht. Klar. Aber auch sonst. Es bestätigt sich bei einer Recherche und einem Gespräch mit einer Japanerin. Es ist gerade eine gute Zeit in Japan zu sein, meinte sie und 2025 findet hier die Expo statt. Horror! Alles richtig gemacht, Frau Klamm!
Der nächste Tag und einfach nur das Ziel zu laufen und mir einen Eindruck von Osaka machen. 2h-Marsch ins Centre Ville. Ich habe Armut und Obdachlosigkeit gesehen. Diese Instagram-Bubble über das moderne und coole Japan. Vergesst es! Hier tickt auch alles normal, wenn es um Klassen- und Leistungsgesellschaft geht.
Tiny Häuser und kleine Garagen mit kleinen Autos. Also aus meiner Perspektive. Hier haben Zebrastreifen wieder eine Bedeutung. So angenehm.
Bei dem Klamottenstil hier wird meine Kreditkarte schon unruhig. Genau mein Style. Oversize, gedeckte Farben, einfache Schnitte ….ich verstehe es, wenn man hier mit leeren Koffern anreist und sich einmal alles kauft. Ich verzichte nicht, ich brauche nur nichts. Und ich habe keinen Platz für neue Sachen. Ich schlendere weiter und ich bin jetzt nicht im Schock. Wenn ich direkt von Deutschland nach Japan geflogen wäre, dann wäre es vielleicht etwas anderes. Aber ich habe 43 Tage Korea hinter mir. Nicht mit Japan zu vergleichen! Das auf keinen Fall. Aber jetzt ist es halt Japan! Was mir sofort auffällt, sind die sauberen Straßen. Das ist unwirklich! Mülleimer gibt es auch nicht. Der Konsum ist Kapitalismus. Die Uniformen der Schaffner und Polizisten schreien modisch nach Sozialismus. Die Straßenbahnen sind frisch lackiert aus den 70ern angeliefert worden. Irgendwie ist es hier ein wilder Mix. Denkt nicht, dass ich nicht beeindruckt bin. Ich bin nur unaufgeregt. Ich genieße und sauge auf und bin dankbar am Leben zu sein und die Welt entdecken zu können.
Ich habe mir eine aufladbare BVG-Karte gekauft. Alles auch, wie in Korea – nur auch japanisch. Das Metrosystem und die vielen Möglichkeiten, sich in der Stadt fortzubewegen, sind wirklich beeindruckend. Hier stoße ich persönlich an meine Grenzen. Eine Strecke, aber 5 verschiedene Anbieter: Express, nen bisschen Express, Local, noch ein Anbieter und noch einer! WTF!!! Paris, Berlin und NYC ein Witz dagegen!
Ich sitze in der Metro und es ist wie eine Wellnessbehandlung. Alles ist clean und an seinem Platz. Keine Hektik, kein Gedränge. Kein Geltungsbedürfnis. Nicht aus der Masse herausstechen wollen. Das heißt nicht, dass das gesund ist! Niemand redet. Nur die Ausländer reden. Da ich alleine reise, halte ich meine Berliner Schnauze – außer bei Männern, die als Hobby Mansplaining ins Freundschaftsbuch eintragen.
Ich stoße mehrmals an die Werbebanner aus Papier, die an der Decke in der U-Bahn hängen und die niedrigen Haltegriffe. Ich muss mich ducken. Hier bin ich groß!
Als ich das erste Mal in einem großen Supermarkt war, war mein erster Gedanke zu Japan: Es fühlt sich an, als ob du in Watte gepackt bist. Niemand eckt an. Jeder hat seinen Platz. Nichts ist aufdringlich. Alles an seinem Platz. Alles effizient und effektiv. Ich habe mich so ‘laut’ im Supermarkt gefühlt, obwohl ich nichts gemacht habe. Ich muss noch ein bisschen üben, japanisch aufzutreten. Könnte ich hier (über)leben?
Ich lasse mich auf einen der vielen bunten Stühle auf einem öffentlichen Platz nieder. Mit Blick auf die Weihnachtsbeleuchtung und zig Billboards, die dich mit Werbung anschreien. Konsum und Touris schwirren um mich herum. Ich nehme mir die Zeit ‘Events in Osaka’ zu recherchieren. Und ich treffe die Entscheidung zum Nationalen Bunraku-Theater zu laufen. Hier eine Erklärung von Wikipedia, für diejenigen, die kein Abitur haben – ich kümmere mich um euch: Bunraku (jap. 文楽; auch: 人形浄瑠璃 Ningyō Jōruri) ist eine traditionelle, japanische Form des Figurentheaters. Inhaltlich werden von Bunraku und Kabuki ähnliche Themen aufgegriffen, denn beides sind Theaterformen, die aus der gleichen gesellschaftlichen Schicht entstanden sind. Bunraku wurde im Jahr 2005 in die UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen und 2008 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit übernommen.
Ich gehe in das Foyer und hier ist aber wat los. Berliner sind ja bekannt für ihre Freundlichkeit, aber die Japaner haben da mehr drauf. Sofort kümmert man sich um mich! Ich bekomme umgehend Hilfe. Ja, genau das ist es, was ich beobachte. In Japan wird aufeinander geachtet und füreinander gesorgt. Ich bekomme eine lückenlose Erklärung, was ich wie und wann buchen kann, wenn ich das Theaterstück besuchen möchte. Ich kann mit dieser Freundlichkeit und diesem Service kaum umgehen. Aber es fühlt sich richtig gut an. Alles klar – ich habe einen Plan. Morgen gehe ich ins Theater und gucke mir Bunraku an.
Traveldevil
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Du hast den Gelben Korb genommen, obwohl er dir zu groß war 🤓