Ich habe Zeit. Ich weiß, dass ihr diesen Satz nicht mehr hören könnt. Ich nehme also die Fähre nach Osaka. 19h. Schnell gebucht. Heute war es soweit. Ich schleppe mich zu Tode. Ich mag das nicht. Aber ich habe echt nicht viel mit.

CheckIn am Hafen. Keine Menschen. Bin ich hier falsch. Ne, einfach wenige Menschen, die diese Fähre nehmen. Damit bin ich einverstanden. Ich lerne einen Inder aus Katar kennen. Wie halten Kontakt. Ausländer halten zusammen. Einchecken easy. Es wird Englisch gesprochen. Herrlich. Rauf aufs Schiff. Verostet und das Interieur war in den späten 80ern modern. Ich fühle mich wie auf einem Filmset. Leitsystem ist klar. Erst an die Rezeption. Ich bekomme einen Schlüssel für meine 4er Kabine. Ich ab ins Zimmer und bin auf alles vorbereitet. Kein Fenster. Ich habe Zeit, aber soviel Geld auch nicht. Keine Luft, aber ein Waschbecken. Ich würde sofort tauschen. Ich weiß gar nicht welches Bett. Ich nochmal zurück und habe dann erfahren, dass ich das Zimmer für mich alleine habe. Perfekt. Hier passen 300 Leute rauf? 70 haben eingecheckt. Ich packe mich warm ein und raus aufs Deck. So schön. Fotos. Fotos. Fotos. Keine Stative. Ich bin verwundert. Der Inder und ich rauchen eine Kippe zusammen. Ich hole mir von ihm Tipps, wo ich in Indien reisen könnte. Er checkt das Café ab und ich lese ein bisschen. Jetzt wird’s langsam dunkel und wir bekommen einen wunderschönen Blick auf den Sonnenuntergang. Wir sind mit drei Leuten aus London die einzigen „Ausländer“. Das Personal kommt von den Philippinen. Es ist alles ein bisschen surreal und so falsch. Ich mache einen Spaziergang durch die Decks. Es gibt Zimmer, wo 20 Koreaner sitzen und trinken UND lachen. Ohne mich?! Die Türen sind alle auf. Ja, kein Wunder. Die bekommen auch keine Luft. Der Inder hält mich auf dem Laufenden, dass er jetzt zum Dinner geht. Ich haue ins Zimmer ab. Aber ich kann irgendwie nicht runterkommen. Ich entscheide an die Rezeption zu gehen und zu fragen, ob ich noch an dem Dinner teilnehmen kann. Ich sehe meinen neuen Freund schon an dem Ausländertisch. Denn niemand hat sich neben ihn gesetzt. Ich winke übertrieben und zeige ihm meine Dinnerkarte. Hat geklappt. Er lacht und winkt. Ich also zum Buffet. Ein paar Algen, Reis und gaaaaanz viel Kimchi für mich. Und Orangen. Die werden hier in Bergen aufgetischt. Ich sitze nun alleine mit meinem Date am Tisch und ich frage ihn über die Frauen-, Menschen- und Gayrechte in Katar aus. Er weiß, worauf ich hinaus will und er legt los. Sehr sortiert. Ich nenne es eine Präsentation. Alles ist erlaubt, aber in private. Aha. Drogen, Sexarbeit, Homosexualität. Alles gibt es, aber nicht öffentlich. Alles hat seine Regeln. Alle folgen denen. So einfach? So einfach. Er reist viel und kann dann in Katar wieder detoxen, wie er es nennt. Er versteht meine Einstellung dazu. Wir essen noch eine letzte Runde Orangen. Wir rauchen eine und wie sehen keine Sterne. Er checkt noch Mails im Café, der einzige Ort mit WiFi. Ich gehe ins Zimmer. Aber ich bin irgendwie aufgekratzt. Die koreanischen News über Trump machen es nicht besser. Ja, ich habe einen Fernseher im Zimmer. Es kommt eine Ansage durch den Lautsprecher. Den kann man auch deaktivieren. Ich lasse ihn an, weil ich wissen will, wann ich meine Schwimmweste anziehen muss. Entwarnung …es ist die Ankündigung für das Abendprogramm. Man kann jetzt in den Speisesaal kommen. OK, ich ziehe mich wieder an. Die Musik höre ich sogar schon in meinem Zimmer. 

Die Kulisse ist so einzigartig. Alles in braun und einfach nur alt. Die Musik ist so laut und kommt aus mindestens 10 Lautsprechern. Eine Moderatorin kündigt jemanden an. Es kommt eine Person mit Gitarre auf die Bühne. Er hat, ich wette, vor 2h noch das Kimchi auf das Buffet gestellt. 24/7 Job. Er wird auch gesagt, dass er von den Philippinen kommt. Alles unwirklich. Es werden immer mehr Menschen im Publikum. Manche knabbern Nüsse aus den Automaten und schlürfen Bier. Gibt’s im Selfservice Supermarkt. Jetzt gibt es ein Quiz. Auf koreanisch. Und dann ein Sänger, auch von den Philippinen, der die Balladen schmettert. Ich bin in einer Kulisse gefangen, die ich mir nie freiwillig aussuchen würde. Hab ich aber. Der Screen mit den bunten Bildern auf der Bühne gibt mir den Rest. Ich gucke mich um, um die Gesichter der klatschenden Koreaner zu beobachten. Durchschnittsalter 50.
Ich schlürfe meinen Tee und komme trotz skurriler Show ein bisschen runter.
Obwohl. Der Sänger startet mit Queen. Bohemian Rhapsody. OK, wow. Richtig gut. Bissl Paul Potts lastig, aber ich klatsche. Geil. Und singe mit. Wehe ihr erzählt das weiter. Kannst du dir alles nicht ausdenken.

Ob ich mir morgen spontan Frühstück hier gönne, weiß ich noch nicht. Ich sehe hinter mir schon die Kellogsspender. Hilfe. Wenn ich eins auf der bisherigen Reise gelernt habe: ‚Entscheide ich spontan!‘ Damit lebt es sich sehr gut. So kenne ich mich gar nicht.

Freddie Mercury kündigt einen neuen Song an. Man spürt, dass das jetzt intensiver wird. Oh das wird gut. Bruno Mars. Es ist sooo gut und mitreißend. Er geht voll ab. Hat Bruno vielleicht einen Minijob auf diesem Schiff. Denn das ist so intensiv und mit Liebe gesungen und getanzt. Die Menge rastet aus. Naja, der Inder und ich. Er kam auch runter. Sieht mich und hat sich neben mich gesetzt. Wir flippen aus und grölen.
Das wars. Aber es fing doch gerade erst an. Show ist vorbei. Bruno muss das Frühstück vorbereiten und vielleicht braucht er noch ein paar Stunden Schlaf.

Ich gehe ins Zimmer zurück und es kommt wieder eine Ansage. Wir sind jetzt offiziell in Japan und man solle doch jetzt rausgehen und sich die Skyline angucken. Auch irgendeine beindruckende Brücke. OK, dann mach ich das jetzt auch noch.

Jetzt aber. Gute Nacht.