Oh wie gut man sich kennenlernt, wenn man allein ist und dann auch noch reist. Man ist nur abgelenkt oder verdrängt, wenn man das bewusst will. Social Media, Serien und schlafen. Und genau das mache ich hier auch bewusst. Und das ist gut so. 3 Tage DC, 5 Tage NYC und dann darf ich 2,5 Wochen auf das Haus, den Garten und den Hund in Miami aufpassen. Luxus. Zeit. Ich wohne in einem großen Haus mit allem, was man braucht und noch mehr. Verpflichtungen, wie die Post reinholen, den Hund füttern und Gassi gehen, die Flut im Blick haben, die Mangos einsammeln und verteilen (alle 3 Tage verteile ich 30 Stück!)…und auch mal eine essen. So langsam kein Interesse mehr. Kurze Ablenkungen. Aber das sind noch keine 24h. Man ist mit sich und seiner Freiheit allein. Ich kenne das schon. Aber jetzt ist es etwas anderes, denn ich habe nicht den Druck, mich zu erholen. ‘Mal so richtig von der Arbeit ausspannen, um wieder Kraft zu tanken und fit zu sein!‘. Wie wir diesen Satz lieben in der harten Arbeitskultur. Nein, eben nicht. Ich habe mich entschieden, ab Oktober genau so zu leben. Und ja, klar – in NYC hatte ich diesen Drang viel zu sehen und zu erleben. Da war ich ja auch nur ein paar Tage. Und meine alten Verhaltensmuster lege ich ja auch nicht so schnell ab, bzw. kommen die ja immer wieder hoch. Aber selbst da habe ich es geschafft, diesen Druck rauszunehmen. Mal Pause machen und nicht zu übertreiben. Pause heißt in diesem Fall nicht in einem Park sitzen, sondern wirklich mal raus sein und im Hostel sein und sich rausnehmen. Wenn man mit einer Begleitung reist, hat man vielleicht andere Pausen? Man macht dann mal das mit, was der/die andere will und spannt da aus? Wenn du mit dir alleine bist – entscheidest du dich ja nur für Sachen, die du willst. Du bist dann interessiert und aufmerksam – verbrauchst Energie. Und wenn du dann noch eine Person bist, die dann nicht den Mittelweg findet, sondern dann immer übertreibt. Dann hast du den Druck und Stress, den du dir alleine machst. Woher kommt das? Ist es die Zeit, die knapp ist? Die wenigen Urlaubstage im Jahr? Absolut verständlich. 

Ich habe im Haus und Garten gegammelt. Naja, gammeln. Meine Definition von Gammeln. Auch Quatsch. Ich habe gelesen, war Gassi, war einkaufen, spazieren, Pflege, Apple TV – The Morning Show Staffel 3! geguckt, die Katzen der Nachbarn füttern und im Pool abkühlen. Alles wichtig und das, was ich wollte. Ich mache doch etwas. Einfach auch mal in den Tag hineinleben. Ist das nicht das, wovon wir in unserem Hamsterrad träumen. Nichts tun?! Und dann hat man es und macht sich Stress. Typisch. Aber für wen? Und akzeptieren, dass das einem jetzt auch gut tut und wichtig ist. Schwer. Vorwürfe. Immer wieder betonen, dass man ja jetzt gammelt und bald mal was unternimmt. Warum? Es nervt mich selbst und es reicht.

Jetzt war es soweit. Ich werde mich woanders hinbewegen, was weiter weg als 10 Min zu Fuß ist. Wird Zeit! Ha, und da haben wir wieder diese Vorwürfe. Nochmal: ‘Jetzt war es soweit. Ich werde mich woanders hinbewegen, was weiter weg als 10 Min zu Fuß ist. Ich freue mich’.

Ein Tag in Miami Beach bei 36 Grad. Mit dem Touribus von Little Havanna mit einem Audioguide im Ohr auf dem Doppeldeckerbus in praller Sonne. Yeah. Gute Entscheidung. Die Geschichte Miamis und dabei aus 4 Meter Höhe die Stadt angaffen. Is mir nicht peinlich. Ich bin Tourist und ich habe keinen Bock, bei der Hitze 4 km zu laufen, bis ich mal was anderes sehe, außer einem Wohnblock. Ich sitze natürlich hinten und oben, weil ich cool bin. Und die Oberschenkeln kleben an den Plastesitzen fest. Lieben wir. Ich rieche das Wasser. So ist es fein. Nun über die Brücke – wie nach Rügen. Fast. Nächste Station Ocean Drive – The Place To Be. Ich habe mich schon gefragt, wie ich diese Massen finden werde. Gesehen und gesehen werden. Ha! Alles leer. Ja, klar – es ist heiß und Mittag. Warum sollte man da auch flanieren? Ich steige aus, nachdem mir der Audioguide die Entstehung von Miami kompakt vermittelt hat. Is ja alles künstlich mit die Inseln. Na toll. Wieder Fake. Und wo Bennifer abhängt weiß ich jetzt aus. Diese künstliche Insel mit den Superreichen. Privatsphäre, verstehe ich. Wichtig. Nicht auszudenken, Ben und JLo wohnen neben mir und stellen die grüne Tonne jeden Dienstag und Donnerstag raus. Aber der Blick von dieser Insel ist nicht auf das offene Meer, sondern auf die Skyline von Miami. Häh. Voll langweilig und uncool. Ich hab doch Geld, um genau das nicht sehen zu müssen. Also manchmal frag ich mich echt. Ich springe von Schatten zu Schatten. Anders geht es nicht. Erinnerung an Ägypten. Hieroglyphen von vor 1673849 Jahren. Mein Terra X-Herz ist immer bereit dafür. Aber die Hitze ist Trumpf. Ich orientiere mich. Erstmal das Meer. Danke. Ich warte nicht direkt an der Straße an der Ampel, sondern im Schatten 5 Meter weiter weg. Nochmal eine Schicht Sonnencreme uf die Beene und Nase. Jetzt nicht zickig werden. Versuche dich zu entspannen. Mach langsam. Du hast keine Termine. Da ist es wieder. Was treibt mich so? Das möchte ich mir austreiben.

Art Deco Häuser – Reihe an Reihe. Alles denkmalgeschützt und von einer Frau ins Leben gerufen. Wer wusste das? Und Barbara Capitman beauftragte Leonard Horowitz für die Farbgestaltung der sanierungsbedürftigen Häuser. Wenn er wüsste, dass man bei Pinterest jetzt ‘Miami Beach Farben’ eingeben kann und sich seine Wand hinter seiner Einbauschrankwand von Pocco in einem Miami-Bleu streichen lassen kann. Ach, Stil für alle. Mein Credo.

Ich ziele erstmal direkt zum Strand. Wenige Menschen. Gefällt mir. Da ist er. Der blaue Himmel und das Meer. Irre und wieder absolut filmreif. Ich nehme meine Birkenstocks in die Hand und stapfe im Sand zur Abkühlung. Es zischt. Kilometerlanger Strand und farbige Liegen und Schirme. Kann man kaufen. Alles kann man kaufen. 70$ für 5 Sunden oder so. Mit Getränkeservice inklusive. Und da ist sie, die Frage an mich: Was will ich? Will ich das? 

Leisten kann ich mir viel – nicht alles. Nein, ich möchte das nicht. Ok. Man ist frei, wenn man vor Ort überlegt, ob man das will, was man gerade sieht? Ich habe die Wahl und das genieße ich. Nur die ersten Reihen sind besetzt und dann auch nur jede 5. Sonst nichts los. Ich ahne, was hier los ist, wenn es voll ist.

Ich mache mir jetzt mal JLo-Mucke rein. JLo is jetze Miami für mich, auch wenn sie aus der Bronx kommt. 

Ich lasse mich in den Sand plumpsen. 1 Liter Wasser brauche ich jetzt. Natürlich habe ich eine Badehose mit und eine Tüte, wo ich die nassen Schlüpfer reinpacken kann. Organisiert bin ich. Der attraktive David Hasselhoff pfeift nicht mir hinterher, sondern dwn übermütigen Badegästen. Es ist windig und es sind wirklich hohe Wellen. Ich stürze rein. Genau richtig. Der Wind lässt mich glauben, dass es nicht so heiß ist. Nicht mit mir. Und was jetzt kommt, ist der Anfang eines Arthouse-Films. Ein klarer Himmel. Traumstrand. Alles. Es zieht eine Wolke auf (sagt man das so?) und steht genau über mir! Es fängt an zu regnen. Ich sitze unter einer Regenwolke. Nicht nur ich, sondern auch die Badegäste um mich herum mussten schmunzeln. Ich gerate nicht in Panik. Panik sieht auch scheiße aus! Nicht mit mir. Ich schaue nach oben und freue mich. Und nach wenigen Minuten war es erledigt. Bei der Hitze ist Wasser ein Segen. Ich tausche grazil meine nasse Hose mit der trockenen. Wenn ich Reels drehen würde – wäre das ein Klamm LifeHack: Worauf muss ich achten, wenn ich am Strand meine nassen Sachen tauschen will. Das geht viral. 

Weiter geht’s. Palmen. Strand. Meer. Verlockend. Aber hält mich jetzt auch nicht dort. Ab zum Ocean Drive. In meinem Arthouse Film wäre es jetzt Zeit für den Strohballen, der von links nach rechts fliegt (weht?). Nix los. Aber ich weiß, dass das hier die Meile ist, wo es abgeht und Party ist. Der BeachBiatchStrich?! Ich bin ehrlich und genieße die Einsamkeit. Das Personal von Restaurants und Cafés steht draußen und wirbt um Gäste. Und nur wenige laufen auch von Schatten zu Schatten. Die Volleyballfelder sind leer. Ein Restaurant ist voll. Ach so, es läuft die EM. 2:0 führt Deutschland. Gut. Nur wenige Arnies pumpen. Ich habe also freie Sicht auf die Art Deco-Meile. Ich halte drauf und spiele Architekturstudentin. Steht mir richtig gut. Nach jedem Foto nicke ich andächtig und habe ein Schmunzeln im Gesicht. Gefällt mir richtig gut. Mich reizt auch der Drink in den Bars nicht. Aber immer ehrlich frage ich mich nochmal: Will ich das? Auch hier, nein. Ich überlege dann immer, ob ich zu bescheiden bin und mir nichts gönnen will, um zu sparen oder woran das liegt, solche Fragen mit nein zu beantworten. Janz einfach, ich will es nicht. Ich glaube, wenn ich in Begleitung wäre, dann würde ich mitziehen. Was auch ok wäre. Aber ich habe oft etwas getan (auf Reisen), weil ich dachte, dass man das so machen bzw. machen könnte. Aber mir reichen meine Wasserflaschen, die ich alle 500 Meter auffülle. Ja, es gab Zeiten, wo ich mich darüber lustig gemacht habe. Aber das ist vorbei. Man muss auch Vertrauen haben und spüren, wann man etwas will und es dann auch durchziehen. Es gibt keine Verhaltensschablone, den Ocean Drive in Miami zu erkunden.

Ich wechsel jetzt von JLo zu Rihanna. Macht mich irre diese Pitbull-Remixe.

Ich gehe weiter. Ich bin nur am fotografieren. Bleibe stehen. Gaffe. Und dann bin ich da, wo ich aber unbedingt rein wollte. Das Art Deco-Museum direkt am Ocean Drive. 7$. Gefühlt minus 4 Grad. Aber ich bin mittlerweile daran gewöhnt und ich brauche das. Zisch. Again. Da hat eine Frau gesagt: ‘Wir kümmern uns jetzt um diese Häuser, die verfallen und sorgen dafür, dass das hier gewürdigt wird’. Respekt. Der Ort war schon im 20. Jahrhundert eine beliebter Ort und diente zu Beginn für den Anbau von Orangen. Business first. Aber durch diese Aufwertung durch Investoren und Spenden wurde dieser Ort erst zu dem, was er heute ist. Eine Frau. Fürs Protokoll.

Pause neben dem Outdoor-Fitnessraum. Ein Gestöhne. Ihr müsst hier nicht sein. Ohne Klamotten und bei 36 Grad – also steht zu eurer Entscheidung. Die Polizei ist präsent. Bauarbeiter, Personal bei den privaten Strandabschnitten für die Orga und Service und von den Parkanlagen sind nicht weiß. Überraschung. Es sollte einem bewusst sein und nicht übersehen werden, aber es ist so.

Eine Limo und eine Banane aus einem kleinen Kiosk. Zucker. Gut. Kreislauf stabil halten. Einheimische haben Regenschirme als Sonnenschutz. Oder Sonnenschirme als Regenschutz. Egal wie, clever. Ich trage Capy. Bester Invest für diese Reise.

Ich habe mir etwas neues beigebracht. Ich mache eine Pause und frage mich dann, was ich als nächstes tun möchte. Probiert das mal aus. Wenn du ohne Plan, Hunger, Durst oder Zeitdruck irgendwo bist. Was willst du als nächstes für dich tun?

Wer hätte es gedacht – ich laufe weiter. Kreuz und quer. Art Basel Miami habe ich bei dem Audioguide gelernt, findet regelmäßig statt und ich erkenne einige Gebäude, die sich als Galerien entpuppen. Ja, Style, Kunst und Trend sind hier zu finden. Auch wenn gleich nebenan ein BeachWear-Shop zum halben Preis mit lauter Mucke Miami Merch verkaufen will. Dort sind die Klamotten zu 90% weiß. Ach, was. Weiß scheint vorherrschend zu sein. Und die LSF Sonnencreme 70 steht in Massen in den Regalen. Noch nie gesehen. Aber ich würde es verbieten, darunter zu verkaufen. Aber ich habe Spaß in diesen Läden zu flanieren und zu gucken, was zurzeit so angesagt ist. Was wird gekauft – also was wird angeboten. Bunt. Ich gewöhne mich langsam dran. Ich habe auch eine grüne, leichte Latzhose in einem dieser Shops gekauft. Und zwei weiße T-Shirts. Mein Schwarz-Style in Miami hilft mir nicht weiter. Frau Klamm wird bunt.

Und irgendwann muss dann doch mal über die Organisation der Rückfahrt nachgedacht werden. Es wartet ja auch ein Hund auf mich. Der kommt gut alleine klar. Pennt 90% am Tag. Aber es wird Zeit für Gassi. Ich checke ab, wann der nächste Touri Bus wieder zurückfährt. Passt. In 10 Minuten. Aber 10 Minuten bei 36 Grad fühlen sich richtig anstrengend an. Und wieder nach oben. Klinke rin. Bissl Wind auf der Brücke zurück aufs Festland war ein Segen.

Durch das bunte Viertel Wynwood und das Design Disrict bei Miu und Miu vorbei. Ganz andere Welt. Für heute reicht es mir, das von oben zu sehen. Aber es ist etwas hängen geblieben, als wir durch die Viertel bis nach Little Havanna gefahren sind: Jim Crow Gesetze. Ich hatte davon noch nie gehört. Ich zitiere hier wikipedia: ‚Als Jim-Crow-Gesetze (englisch Jim Crow laws) wird eine Reihe von Gesetzen bezeichnet, die in der Zeit zwischen der Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 1865 und dem Ende der Rassentrennung nach Inkrafttreten des Civil Rights Acts und des Voting Rights Acts Mitte der 1960er Jahre hauptsächlich in den Südstaaten in Kraft waren‘. Der Kampf auch in Miami. Und da haben wir es wieder. Ich bin sehr überrascht über den sehr guten, aber auch oberflächlichen Audioguide und über diesen Abschnitt. Schlusssatz: ‘Wir sind nicht stolz auf diesen Abschnitt in unserer Geschichte’. Gut so! Erst 60 Jahre her. 

Ich sehne mich nach meinem Zuhause. Knast. Hund. DUSCHEN!!! Und ich hatte noch einen Auftrag für mich: Bodylotion für meinen Körper. Ich war braun und rot. Ich brauche Pflege. Auch so ein Ding, was ich auf meinen Reisen gelernt habe. Du brauchst nicht alles bei dir haben – erst wenn du etwas brauchst, dann kaufe es dir. Und wenn es eine Tagesaufgabe wird. Verschwitzt, müde und Sehnsucht nach Ruhe (keine Impulse, außer Pool, Hund und Apple TV* ((*Affiliate Link). Fake. Würde sich das lohnen?) noch schnell in einem Shop für 9$ Nivea Bodylotion kaufen. Nachteil: Du musst dann mehr dafür zahlen, wenn du es nicht von zu Hause mitgebracht hast. Ich bin fix und fertig. Nicht ein Tropfen Regen, wie in den letzten Tagen. Außer eine Wolke über mir am Strand. Wie der Film wohl ausgeht? Ideen?

Der Hund freut sich auf mich …bestimmt. Aber eher auf das Fressen. Die Gassirunde ging sehr schnell. Essen. Ich bin Hubdesitterin einer sehr verfressenen Rasse. Ich dachte immer, ich habe Probleme mit dem Essen. Dieser Hund. Schon zweimal musste ich Mangokerne mit den Fingern aus seinem Maul fischen. Dieser Hund stirbt nicht in meiner Zeit.

Und nun die Frage – und ich habe sie mir noch nicht beantwortet – fahre ich nochmal zum Miami Beach, um mir die Partymeile reinzuziehen. Die Drag Shows, die ich da schon am Vormittag im Palace von weitem sehen konnte. Das wäre ein Spaß. Aber wir haben ja gelernt: Ich werde mich weiter fragen und mich nicht unter Druck setzen. Ich verpasse nichts und es geht darum, worauf ich Bock habe und nicht, was man machen könnte. Eines weiß ich aber jetzt schon (und das meine ich mit ‘sich vertrauen’.), dass ich mir das Künstler*innen-Viertel Wynwood nochmal zu Fuß angucke.

Und der Tag danach. Gassi, Pool, Mangos einsammeln, Mangos verteilen, einkaufen, Wäsche waschen, mit dem Hund kuscheln, kubanischen Kuchen essen, Tee und chillen. Auch schön. Und morgens geht’s weiter. Wie? Weiß ich noch nicht.