Ich hab keinen Bock. 31°. Müde. Den Kurs vor 3 Monaten in Euphorie, meinen Hintern zu bewegen, gebucht. Und jetzt ist das Wochenende da. Samstag und Sonntag. Den ganzen Tag. Naja, 11 bis 17 Uhr.
Ich ziehe durch. Mache mir Brote und Fencheltee. Auf geht’s. 10 Uhr mit dem Bus nach Friedrichshain. VHS Gebäude at it’s best. Runtergerockt, aber in Betrieb. Die Auslageregale voller Staub, aber die neuesten Programmhefte liegen aus. Diese VHS ist für das Fotolabor und die Fotokurse berühmt. Also in meiner VHS-Bubble. Ich bin die Erste. Jede Person, die ich jetzt treffe, könnte in meinem Kurs sein. Lächeln. Jetzt reiß dich zusammen. Faul zu Hause im Bett ist auch kein Lösung. Dir wird es gefallen, du wirst neue Leute kennenlernen und Spaß haben. Jetzt nimm dich nicht so wichtig. Ja, ich sitze ja hier. Jetzt sind wir schon 6. Bunter geht’s nicht. Naja divers ist anders. Aber immerhin ein Schweizer dabei. Ein Lehrer, der sein Bildungsurlaub für 3 Monate in Berlin macht und VHS-Kurse besucht. Kannst du dir nicht ausdenken. Eine Iranerin, die vor 8 Jahren nach Deutschland kam. Jetzt macht sie was mit Edelsteinen und darf nicht verraten, für wen sie arbeitet. Auf eine Person komme ich gar nicht klar. Ein Mediengestalter dabei. Er hat diese Ausbildung 15 Jahre nach mir gemacht. Also alterstechnisch liege ich beim Schweizer. Dann radelte jemand vor die Tür. Das war die Kursleiterin. Da kannst du Klischees auspacken. Mach ich aber nicht. Weil mich das selbst langweilt.
Also geht’s erstmal in den Kursraum. 50er Jahre Interieur trifft Smartboard Hightech. Genau so geht öffentliche Einrichtungen. Hier nochmal schnell Gelder abholen und Smartboards bestellen. Aber immerhin. Der Kochkurs im Pavillon im Garten brutzelt schon. Riecht gut. Vielleicht aber doch nur der ‚Wie schneidet man Zwiebeln?‘-Kurs. Riecht halt immer lecker.
Vorstellungsrunde. Wie immer. Hi, ich bin Frau Klamm (Hab ich nicht gesagt!) und liebe TKKG bis heute. Und ich bin aus Neugierde hier. Alle anderen hören auch gerne Hörspiele. Ist das hier die Selbsthilfegruppe ‚Ich bin Ü28 und höre gerne Hörspiele?!‘ Ich fühle mich wohl. Was gemeinsame Hobbys ausmachen. Außer der Schweizer. Der …ich weiß es auch nicht. Die Iranerin weiß, dass sie sehr leise und ruhig redet und muss mehr aus sich rauskommen. Auch für den Job. Blutdiamanten als PR-Mitarbeiterin vertreten …da muss man bissl Rhetorik druf haben und laut werden können!? Wer weiß.
Ich traue dem Ganzen noch nicht. Aber lass mich hinein. Bringt mich weiter. Und hat es in den letzten Jahren auch getan. Jeder hat einen Block und einen Stift dabei. Äh … gut. Ich öffne meine 2. Brain-App.
Und dann ging es unerwartet schnell los. Im Kreis. Im Garten. Unter einem Kastanienbaum. Ferienlager Schubystrand (Ostsee). Meine Kindheitserinnerungen. Wie starten mit Übungen. Lockerungen. Kennen die Konzerne und öffentlichen Einrichtungen mittlerweile auch. Vor einem langen Meeting, einer Tagung oder Workshop. Abklopfen. Brustkorb öffnen. Dann kamen Sprechübungen. Und es vibriert. TIIIIIIIIIIAAAAAAAAAMMMMMMOOOOOO. Ich lasse mich drauf ein. 1l Fencheltee habe ich schon getrunken. Schatten, aber heiß. Jetzt zu zweit das ‚Marionetten‘-Spiel mit anfassen. Da überlasse ich jetzt eurer Phantasie. Ich lasse mich weiter drauf ein. Das wird. Ich weiß das. Ich habe gelernt mich auf Lehrmethoden und Didaktik einzulassen. Die sind Profis.
Ach was für einen Kurs ich gebucht habe? Hörspiele sprechen.
Eine Übung. Im Kreis wird dir ein Satz zugeteilt und dann musst du diesen in verschiedenen Gefühlslagen sprechen: als Nachrichtensprecher, beleidigt, panisch …wie schwer. Versucht es. Und die Stimme soll sich verändern. Und die Betonung. Nicht euer Körper. Und mein Highlight war als ich mit ängstlich und dem Satz ‚Er hat seine Jacke vergessen.‘ dran war. Ich wusste nicht wie und ich sage laut: ‚Ich weiß nicht, wie sich Angst anfühlt‘. Weiter Übungen, um zu verstehen, was es heißt Gefühle zu sprechen und nicht zu schauspielern. Habe das echt unterschätzt. Wir sollten einen Satz einmal wie in einem Film spielen. Das Publikum hat immer die Augen geschlossen, wenn einer dran war. Ich hatte als Regieanweisung, dass ich durchgefeiert habe und am nächsten Morgen in der Küche sitze. Ich habe einen fetten Kater, aber hatte eine gute Zeit. Ich frage die Kursleiter: ‚Meine Küche‘? … So, ich komme. Frau Klamm startet. Ich hatte den Satz: ‚Boah bin ich müüüüde. Aber war DAS eine geile Nacht!!!!‘ Erstmal auf einem Stuhl, wie in einem Film spielen. Lasse mich voll durchhängen und die Stimmt kommt mit. Klappt ganz gut. Aber jetzt anders. Jetzt am Mikro in einem Tonstudio, wo man gegen eine Wand guckt. Krass. Krass. So anders. Eine Herausforderung. Wir alle haben unterschiedliche Sätze bekommen und da waren Talente dabei. Wie gut ist bitte der Schweizer?!
Alle einmal durch. Geben uns Feedback. Bekommen Tipps von der Leiterin. Ich habe Spaß. Menschlich halte ich mich noch zurück. Zu oft hätte ich schon was herrliches, gemeines und provozierendes sagen können. Aber ich warte noch.
Und dann kommt es zu einer Gruppenarbeit. Ein kurzes Hörspiel sprechen. Es werden die Rollen vergeben. Und in meiner Gruppe war ein toller Typ dabei. Diese Stimme. Bravo. Machst du das hauptberuflich? Ne. Ich bin aus Hellersdorf. Macht doch nichts. Ich soll die Mutter in dem Stück sprechen. OK. Er den Räuber. So die Idee. Und dann mein Feedback an seine wunderbare Stimme: ‚Du, ich mag deine Stimme. Aber den romantischen Räuber können wir hier nicht gebrauchen. Mach Mal Aggro!!!! Es geht um Leben und Tod. Das ist hier kein Herr der Ringe Wunderwald. Stell dir das Mittelalter vor und du wirst Menschen töten.‘
Keine Chance. Ratet, wer den Räuber gesprochen hat. Danke. Danke. Böse und aggressiv kann ich. It’s a gift.
Zum Abschluss ein längeres Hörspiel, was wir alle nacheinander einmal durchsprechen. Also hatte jede*r mal jede Rolle. Gute Idee. Wir probieren uns aus. Wie sind ein gutes Team. Und dann teilen wir uns auf und jede Gruppe eine Hälfte der Story. 20 Minuten Zeit zum üben. Ich als sehr soziales Wesen …hab zu Beginn das Thema angesprochen, dass wir gerecht verteilen. Nur weil Susi das privat gerne macht, muss sie ja nicht die Rolle mit den meisten Einsätzen bekommen. Nicht bei mir. Da setze ich mich durch. Zu Beginn frage ich, was man glaubt, nicht gut sprechen zu können. Ich antworte: ‚Mutter und Kind‘. Kein Bock drauf. Und in welcher Rolle war ich am besten. Exakt. Und eine Person hat sich vor der Rolle mit dem amerikanischen Akzent gedrückt. Richtig so. Was haben wir gelacht. Aus amerikanisch wurde sächsisch. Dagegen hat der Schweizer einen fantastischen Amerikaner gesprochen. Rollen gegen den Strich ausprobieren. Da kommen gute Sachen raus. Oder auch richtig lustige.
Feierabend. Tag 1 Realstimmen. Morgen ‚Phantastische Stimmen‘. Muss ich dann einen Hobbit spielen oder einen dummen Esel? Ich freue mich.
Wir tauschen uns in den Pausen über Hörspiele aus. Und den einen Tipp mache ich auch gleich nach dem Kurs an. Macht mich glücklich. Schon immer.