‚Good Morning Angels’ schallert es jeden Morgen um 6 Uhr durch das Camp. ‘Good Morning Charlie’ grölen wir zurück. Wer checkt’s?! Aber nur aus unserem Zelt. Wir tanzen und twerken gut gelaunt in unseren Schlafsäcken. Uns scheint die namibische Sonne, die noch gar nicht aufgegangen ist, aus dem Ar****. Dazu dieser Song laut. Soundtrack der Reise. Dieses Ritual ist der Auftakt zur nächsten Etappe. Jeden Morgen. Aufstehen. Sachen packen. Ein Teil zum Auto, was unsere Sachen transportiert und unser Tagesrucksack für den Tag. Wir haben uns den Luxus gegönnt, an einer Wanderung teilzunehmen, wo man uns die Zelte auf- und abbaut und dreimal pro Tag mit Essen versorgt. Mit gutem Essen. Kochen auf offenem Feuer oder mit dem Gaskocher. Ich habe es ab dem ersten Tag schon FatCamp genannt, denn hier nimmt man nicht ab oder verausgabt sich bei der Wanderung. Wir sind nur am Essen. Und ich beschwere mich nicht. Seit 10 Monaten habe ich keine drei Mahlzeiten pro Tag gehabt und dazu noch warm. Und gekocht. Mangelware. Neben echten und kuscheligen Handtüchern aus Baumwolle ein Luxus. Ich genieße jeden Bissen. Trinkwasser, Tee und Kaffee jederzeit verfügbar. Wir haben einen 6-tägigen Camino durch Damaraland vor uns und am 23.8.25 ging es los. Abholung inklusive. Der Van parkt vor dem Haus, wo mein Freund eine klassische Einliegerwohnung gemietet hat. Das Haus ist ein Palast mit hohen Mauern geschützt. Dazu noch elektrische Zäune oben drauf. Man denkt also, dass uns diese Bude gehört. Mit dem Schein kann ich leben. Sehr gut sogar. Wir sind fertig, haben gepackt, das Tor öffnet sich und der Haushund Bobby verabschiedet sich auch und begrüßt unsere Wanderkollegen. Ein kleiner Minivan und ein fetter Anhänger für unsere Sachen stehen vor der Einfahrt. Wir haben noch Snacks und Drinks dabei. Dass wir eigentlich keinen Hunger haben werden, haben wir nicht geahnt. Nur für die Fahrt waren die Snacks gut geplant. Man begrüßt uns und jetzt ist klar, dass das die Menschen, mit denen wir eine Reise antreten. Ferienlager ist nichts anderes. Ich habe nach der ersten Vorstellungsrunde noch vor dem Van, bevor ich eingestiegen bin, laut angemerkt, dass ich mir die Namen noch nicht merken kann. Man lacht. Das war kein Witz. Und wieder Begegnungen. Freiwillig. Jeder Mensch hat ein Schicksal, eine Eigenart, ein Lebenskonzept, seine Grenzen und es wird nie langweilig für mich. Anthropologie-Studium. Ich bin bereit. Mein Freund kommt hinterher, er musste noch etwas für die Arbeit machen. Immer auf den letzten Drücker, aber nie zu spät. Wir verabschieden uns alle von dem süßen Labrador. Icebreaker Bobby.
Ich beschließe, dass ich mal etwas neues ausprobiere. Was? Die Namen meiner neuen Freunden für die nächste Woche schon können, bevor ich nochmal nachfragen muss. Ich sitze hinten, da wo die Coolen von der Schulen sitzen und es einfach mehr Beinfreiheit gibt. Ich gehe in die WhatsApp-Gruppe, die von der Organisatorin erstellt wurde und gehe alle Profile durch. Wir sind 13 Personen inklusive dem Team, was uns ein schönes Erlebnis kreieren wird. Eine Frau, die neben dem Fahrer sitzt fällt mir gleich auf. Sie wird mein Liebling. Aber ich brauchte ein bisschen, um zu erkennen, dass ich sie wirklich mag. Bin ich das in 25 Jahren? Ich fände das schön. Dazu kommen wir noch. Also:
- Ein Pärchen aus Kapstadt. Er Portuguise und sie eine Frau mit dem feinsten, bissigsten und besten britischen Humor, den ich bisher erlebt habe. Da werde ich nie rankommen. Neid. Dafür traue ich mich frecher zu sein. Wir wären ein gutes Team, wenn wir damit Geld verdienen könnte. Haben vor 3 Jahren geheiratet und sind in meinem Alter. Haben zwei Hunde und haben einen schönen Umgang miteinander. Nennen wir sie doch: Porto und Portella.
- Noch ein Pärchen. Auch aus Südafrika. Da ist Geld. Also ich sage das jetzt, weil ich in wenigen Sekunden das Outfit zusammenrechne. Das ist mein Hobby. Schulden machen ist keine Kunst und jeder kann sich teuer einkleiden, ich weiß. Ich spüre Energie aus dieser Reihe, die nicht meine ist, und werde recht behalten. Übergriffigkeit und Manieren werden ein Thema sein. Ich freue mich nicht drauf. Nennen wir sie doch: DAS Paar.
- Meine Queen. Sie sitzt vorne neben dem Fahrer und hat das auch gerechtfertigt. Ist doch ok. Keiner hat etwas dagegen. Sie gibt den Ton an. Wo lang. Was sie so sieht und wie das hier läuft. Ich höre Aufregung raus. Deutsche aus Namibia. Mein Kommentar zu meinem Freund über diese Person …ach warte erst ein Name ….hm…Judith! Also mein Kommentar nach 1,75 Minuten: Judith regelt! 68 Jahre und hat beschlossen zu wandern. Sich voll ausgestattet vorab und lebt alleine in Kapstadt. Kinder sind erwachsen und lange aus dem Haus. Geschieden seit über 40 Jahren. Ich werde sie noch ausquetschen. Bei Menschen, die mich interessieren, frage ich nach. Auf meine eigene Art, aber ich frage.
- Die Kanadierin. Unscheinbar. Zuerst. Klassiker. Ruhig. Alleine unterwegs. Ist aus Kanada nur für diese Wanderung eingeflogen. Mit ihr habe ich nicht gerechnet. Denn sie wird in unserem Team spielen und ich werde sie definitiv nicht vergessen. Gleiche Kindheit. Selbsthilfegruppe also auch inklusive für mich. Endlich jemand, der ohne Erklärung meine Anspielungen versteht. So macht ein Lagerfeuer doch noch mehr Spaß.
- Der Familienvater, den wir als letztes abholen. Er sitzt neben mir. Ein Typ für sich. Ich mache ihn auf Schokolade an seinen Mundwinkel aufmerksam. Er dankt. Tach! Ich bin Frau Klamm. Hi, ich bin …nennen wir ihn Bob. Er ist ruhig, aber ab Stunde 5 geht’s ab. Und ich habe ihn fest in mein Herz geschlossen. Ich hatte Vermutungen und ich lag richtig. Menschen lesen kann ich.
- Das Team. Hier nenne ich die richtigen Namen, denn sie sind auch öffentlich auf der Website. Steve, Ruben und George. Fahrer und Köche. Allrounder. Zelte auf- und abbauen. Alles ermöglichen, dass wir eine gute Zeit haben. Respekt. Wenn ich meine Zelte und Gepäck selbst regeln hätte müssen, dann wäre diese Wanderung anstrengend geworden. Das wollen wir ja nicht. Ellen ist Besitzerin und Managerin der Tour und läuft jeden Camino mit. Ihr Verlobter war nicht unbekannt in Namibia. Er hat die Reiseagentur gegründet. Er ist kurz vor Bekanntgabe der Hochzeit verunglückt. Zwei Tage später hat sie schon die nächste Wanderung gemacht. Es muss weitergehen. Die Presse war voll. Jeder in Windhoek hat davon gehört. Eine tolle Frau. Abfindung mit 40 in Deutschland und dann ab nach Afrika und die Liebe des Lebens getroffen. Und dann kam alles anders …Also genießt jeden Tag. Habt ihr mich verstanden!!!!????
- Mein Kumpel und ich. Die Besten, ist klar. Spaß. Jung, Single und dynamisch. 24/7 am Schnattern. So viel habe ich in den letzten 11 Monaten nicht gelacht und Blödsinn gemacht und geredet. Wir sind in unserem Element. Immer irgendein Snack im Mund oder irgendwas gesungen. Man hat uns bestimmt gleich ins Herz geschlossen. Geht ja gar nicht anders. Mein Freund ist ein sehr guter Smalltalker. Ekelhaft. Er baut die ersten Kontakte auf im Bus, wo ich noch Namen meiner neuen Familie übe. Nach 10 Minuten sitzen sie.
Es liegt eine 5 stündige Fahrt vor uns. Richtung Brandberg-Gebirge. So genau weiß ich nicht, wie unsere Wanderroute ist. Bekomme ich schon noch mit. Erstmal im Basiscamp ankommen. 2 Stunden asphaltierte Straßen und dann nur noch Schotter. Und wir spüren jeden Stein. Ein Geländewagen ist das nicht, aber wir kommen voran. Erste Station Camp Madisa. Ich habe nicht ansatzweise geahnt, was mich erwartet. Konzept meiner Reise. Wir kommen im Camp an. Also ein Platz, wo uns Duschen, Klos, Swimmingpool, eine Buschbar und Strom zur Verfügung stehen. Luxus. Der Essenstisch steht schon. Die Zelte stehen. Die Crew kocht schon für uns. Ich werde damit noch hadern. Man kümmert sich um mich. Alles wird organisiert. Ich muss mich nur am Tee bedienen und muss mich an den Essenstisch setzen. Frechheit, dass ich mein Gepäck selbst in unser Zelt tragen muss. Ich habe auch meine Grenzen.

Ich habe auf meiner Reise viel gelernt, wie man Gruppentouren effektiv und effizient organisieren und betreuen kann. Vielleicht kann ich das Wissen irgendwann auch mal einsetzen. Wir bekommen alle bunte große Taschen, wo unsere von der Agentur gestellten Kopfkissen schon drin sind. Dort können wir nach jeder Nacht unser Zeug, wie Schlafsack & Co, reinquetschen. Jeder kennt dann sein Muster und greift nach jeder Wanderung nach seiner persönlichen Tasche. Clever. Wir schlafen auf Liegen. Ein Nachttisch und eine Lampe steht auch schon im Zelt. Das ist für mich schon Glamping. Und das sind keine BilloDecathlonZelte, sondern robuste Dinger. Wir springen erstmal in den Pool und die Gruppe lernt sich kennen. Erstmal die Dynamik abchecken. Zum Sonnenuntergang auf den Felsen neben dem Camp steigen. Herrlich. Jetzt ein Absacker in der Bar und es geht los …Meine Queen Judith sitzt bei uns und wir starten …Herkunft. Weiß. Aber in Namibia geboren. Deutsch. 68. Da kommt kein Blah Blah. Da kommen gut überlegte Sätze, was ich bewundere. Und immer mit einer Weisheit oder Erfahrung als Botschaft. Gekonnt und direkt adressiert. Ein bisschen unterbrochen wird sich …also ins Wort fallen. Aber man muss ja erstmal herausfinden, wie lange jemand redet und sich platzieren. Darauf achte ich besonders. Ich schreibe innerlich mit. Es kommt Porto und Portella dazu und die ersten Funken sprühen. Mein Freund und ich verstehen uns blind. Keine Worte notwendig. Ich starte damit, als ich gefragt werde, wer ich bin und was ich so mache wieder mit meinem Standardvortrag: Frau Klamm, 42, Berlinerin, besuche meinen Freund, habe meinen Job gekündigt – 9to5 und Unzufriedenheit hat mich in Panikattacken getrieben und dann habe ich es gewagt. Geld gespart und los. Ich habe keinen Plan, wie es weitergeht, aber es war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe mich befreit. Und Porto steigt ein und ist interessiert, denn seine Frau hat das gleiche durch. Noch ganz frisch und er hadert, aber unterstützt seine Frau. Natürlich. Gut! Er will mehr wissen und sie auch. Er ist froh, jemanden kennenzulernen, der das auch für sich entschieden hat und ist jetzt erleichtert, dass das kein Einzelfall ist. Wir werden zu diesem Thema auch immer wieder nebeneinander wandern und uns austauschen. Die beiden merken sich alles, was ich erzähle. Und verarbeiten und melden sich dazu am nächsten Tag nochmal bei mir. So habe ich das noch nicht erlebt. Süß. Es gibt Essen und wir stürmen den einfach herzlich gedeckten Tisch und machen nochmal eine offizielle Vorstellungsrunde. Für mich sind solche Treffen großes Kino. Ich kann da nicht im Tunnel bleiben. Ich sauge jede Mimik und Gestik auf. Bob ist in seinem Element, nämlich seine Leidenschaft zum Wandern zu teilen, zu erzählen und Metakommunikation zu machen. Er ist sehr glücklich, aber ich ahne, dass er es nicht leicht im Leben hatte und hat. Er ist der Typ, wie er auch berichtet, der gemobbt wurde und das sitzt noch tief. Nur eine Vermutung natürlich. Er ist sich seiner wichtigen Rolle in der Gruppe nicht bewusst. Bob, du bist wichtig, genug und wir mögen dich. Schön, dass du da und dabei bist!

Ich bin mit der Natur noch nicht so im Einklang. Ich verdächtige einen Schatten als eine Elefantenherde. Citygirl durch und durch. Um 22 Uhr werden der Strom und das Licht abgestellt. Nochmal schnell das Smartphone laden. Duschen geht auch nur bis dahin warm. Das Wasser wird über Feuer in großen Kesseln erhitzt. Ich dusche nicht. Ich mache echtes Camping. Die Toiletten sind halb offen und man sieht sich den Sternenhimmel an. Wir bekommen ein ausführliches Briefing, wie das jetzt jeden Tag abläuft. Aufstehen um 6 Uhr. Wir werden geweckt. ‘Good Morning Angels’ – ‘Good Morning Charlie’. Auf den Liegen kannst du dich nicht richtig gemütlich wälzen, aber du bekommst Schlaf. Wir haben noch bis in die Puppen geschnattert. Mal sehen, wer sich beschwert. Ich bin schon um 5:30 Uhr wach, weil ich glaube, dass ich vorbereitet sein will. Tee im Dunkeln und ab geht’s. 7 Kilometer. Dann bekommen wir das Frühstück serviert und ich betone nochmal. Wir packen nur unser Zeug. Zelte und alles wird vom Team abgebaut und vorgefahren. Das Team nimmt eine andere Route und wir kommen dann an einem schön gedeckten Frühstücksbuffet an.

Erster Kommentar von DEM Paar – von ihr, warum ich denn einen warmen Pullover trage. Okay. Diese Ebene. Na, weil ich das möchte. Aber ich kann den doch in meinen Rucksack stecken. Okay. Wir starten einen Dialog. Na, weil ich ihn gerne tragen möchte. Ich habe mittlerweile gelernt, aus solchen Situationen rauszugehen, bevor ich mein Berliner Blut regeln lasse. Die Strecken sind easy. Keine Herausforderung. Mehr Kraft, um die Natur aufzusaugen und nicht zu jammern. Unsere erste Pause und ich traue meinen Augen nicht. Nein, kein Elefant. Sondern das Frühstück. Warme Haferflocken. Früchte. Nüsse. Tee. Saft. Nicht euer ernst. Ich nehme es an, aber ich muss mich echt daran gewöhnen. 10 Monate Hostelleben und Selbstverpflegung. Mir ist es recht. Ich mampfe den köstlichen Haferbrei. Nüsse aller Art. Verstopfungen auf einer Wanderung und hellhörigen Zelten müssen ja nicht sein. Und dann weiter. Überfressen, anstatt erschöpft vom Laufen. Ich gebe es zu. PMS Fressen ist auch Thema bei mir. Da wird geschaufelt. Nochmal 7 Kilometer. Es wird heiß. Ich ziehe meinen Pullover aus. Wen das interessieren könnte, ist nie in der Gruppe. Das Paar geht seinen eigenen Weg. Sie haben schon mehrere Wanderungen mit Ellen gemacht. Die Insider, die sich schon auskennen. Alles klar. Macht ihr mal. Sie haben natürlich ganz tolle Dinge gesehen, die wir nicht sehen konnten. Gott halte mich zurück. High School is never over.
Wir kommen im ersten Camp an, wo wir mitten im Nirgendwo sind. Andere wissen bestimmt, wo wir sind. Ich nicht. Mir doch egal. Schön hier. Unser erster Tag mit der Toilette Eigenbau. Wenige Meter vom Camp. Regel: Wenn man den bunten Beutel mit den Klorollen nicht am Waschbecken vor der Toilette sieht, dann ist sie besetzt. Ich verrate euch jetzt schon, dass das irgendwann nur noch mit: Kackt gerade jemand? geregelt wird. Alle Hemmungen fallen. Ein Sitz mit Klobrille und einem tiefen Loch. Dann Sand nachschütten und Hände waschen.

Wir ruhen uns aus und wir legen uns unter das Sonnensegel. Snacks und Tee. Jeder macht sein Ding, aber wir sind eine Gruppe. Jeder hat seine Rituale. Mein Freund und ich sind ein eingespieltes Team. Einer von uns packt die Sachen ins Zelt, macht die Betten. Und dann nochmal eine kleine Runde nach dem Mittagessen in der Umgebung. Und jetzt kommt die Kanadierin ins Spiel. Sonnenuntergang gucken. Auf auf Kameraden. Und wer bist du? Was machst du? Mit ihr verbünden wir uns und verstehen uns ohne Worte bis zur letzten Minute unserer Reise. Sie spricht leise, aber was sie sagt, ist messerscharf. Aufpassen. Gut zuhören. Wir haben auch ein Paar Kilometer zusammen auf den Wanderungen und einmal sagt sie, nachdem ich einen Monolog gehalten habe: Ich mag dich Frau Klamm!!! Ich dich auch.

Die Klischees ballern durchs Camp. Kanadier haben ein anderes Kälteempfinden. Die Kanadierin trägt Shorts, wo ich zwei Pullis trage. Das Klischee habe ich laut geäußert. Ich war in Kanada, ich darf das. Ich werde manchmal nur mit Berlin gerufen. Nicht, weil sie meinen Namen nicht kennen, sondern weil man hervorheben wollte, dass eine Berlinerin an Board ist?! Ich nehme es an. Die Kanadierin ist auch Kanada. Bob hat zwei Persönlichkeiten: Bob und Peter. Peter schnarcht. Bob nicht. Wir machen mit. Er hat Spaß. Und dann ist Halbzeit und es geht eine Aussage rum, die die Kanadierin, meinen Kumpel und mich fast explodieren lässt. Mit scharfen Blicken versuchen wir uns gegenseitig Haltung zu geben, jetzt nicht zu kommentieren oder eine Intervention zu starten. Next Level schallt es alle Minuten durch die Gruppe. DAS Paar – sie findet alles amazing und Next Level. Ohhhh…wir kämpfen. OH MY GOSH fehlt noch. Das Brot. Next Level. Der Himmel. Next Level. Die Tischdecke. Next Level. Das Klopapier. Next Level. Uff. Stopp. Halt. Nein. Sprachlosigkeit. Was ist das? Was will man uns damit sagen? Ohne meinen Freund und Kanada hätte ich das nicht durchgestanden und hätte eine Massenschlägerei angefangen.
Und dann das Highlight von Übergriffigkeit. Unsere Next Level-Kollegin findet das Haar von der Kanadierin Next Level. Natürlich! Und hätte auch gerne solche Haare. Achtung. Jetzt. Und fasst ihr in die Haare. Egal wie. Nicht erlaubt. Sie wuschelt und streichelt. Ich stehe daneben und kann kaum atmen. Die Kanadierin rettet sich so gut wie sie kann. Ich habe mich später gerechtfertigt, dass ich nicht eingegriffen habe, weil ich davon ausgehe, dass sich Kanada selbst wehren kann. Die Antwort der Kanadierin auf meinen Kommentar war, dass sie mir überschwänglich in die Haare gefasst hat. Wie verstehen uns.

Vor der Abfahrt habe ich noch den Fragenkatalog von Max Frisch rausgesucht und ChatGPT gebeten ein paar Fragen für unsere Wanderung zu liefern, die wir uns unterwegs stellen können. Wir sind immer in Gesprächen und uns wird nicht langweilig, aber einmal fallen uns die Fragen ein. Ich krame nach dem PDF und fordere immer zu jemand anderem in der Gruppe auf, dass er Stopp suchen soll und da wo mein Finger auf der Liste landet, diese Frage stelle ich dann. Einmal auf Deutsch und Englisch. Und jeder soll antworten: Wo überschneiden sich deine Ängste und Sehnsüchte? Gibt es eine Entscheidung, die dich bis heute begleitet? Was würdest du tun, wenn du keine Angst vor dem Urteil anderer hättest? Aus unseren Antworten werden interessante Unterhaltungen und wir lernen uns nochmal richtig gut kennen.

Eine Etappe bin ich die langsamste. Mit Absicht. Drei Kilometer mehr, weil ich Zickzack gelaufen bin. Alle schon am Tee schlürfen. Ich mache wenige Meter vom Camp auf einem warmen Stein ein Powernap. Der Stein ist breiter als meine Liege und ich strecke und wälze mich. Jetzt will ich aber auch einen Tee. Ich finde auf dem Weg ein Gestrüpp, was sich wunderbar um den Kopf festklemmen lässt. Meine Krone. Ich ziehe durch und trage sie bis zum Abend. Das Team, Kanada, Berlin und mein Freund gehen nochmal los, nachdem wir unseren Lunch verdaut haben. Es werden nochmal 5 Kilometer. Wir sind nicht ausgelastet. Man schmückt mir die Krone mit allem, was wir finden. Sogar ein totes Tier. Nein, keine Giraffe. Zu schwer. Aber ein …ach wie heißt das Viech? Ein kleiner schwarzer Käfer, der durchknattert. Wir hatten einen Moment, wo wir überlegt haben, ob wir zurückfinden. Mit euch verdurste ich liebend gerne im Damaraland. In bester Gesellschaft. Lebend und sterbend. Wir schaffen es und beschließen, die Krone feierlich am Lagerfeuer abends zu verbrennen. Ich kündige an, dass Kanada einen Rede halten wird. Das war nicht abgesprochen, aber ich habe es gewagt und es gab keine Widerrede von ihr. Und ich sage euch, die Rede hatte es in sich. …sie endet mit: Und nun verbrenn’ die Bitch (Krone).

Wir bekommen die Info, dass wir hier auch draußen schlafen können. Keine Löwen oder was? Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Und die Liegen wieder raus. Unheimlich für mich. Sternschnuppen inflationär. Jede Minute eine. Das wird ja langweilig. So viele Wünsche habe ich ja gar nicht. Na gut, dann eben jetzt noch Weltfrieden und Putin überlegt es sich doch anders. Die anderen Wünsche verrate ich nicht. Ich kann nicht schlafen, weil ich diese Umgebung nicht fassen kann. Unbeschreiblich. Planetarium live. Wir wachen mit Musik wie jeden Morgen auf. Die Schlafsäcke sind klamm. Alles packen und los. Heute zwei Pullis. Sie passen auch in meinen Rucksack. Ich kommentiere es nicht laut.

Man läuft auch mal für sich. Ich komplett eine Strecke für mich. Immer ein Stock, Busch oder was weiß ich in der Hand. Keine Musik. Einfach laufen. Alle 3 Kilometer winkt man sich aus der Ferne, ob alles OK ist. Wir haben den morgendlichen Soundtrack, aber mein Freund und ich haben einen zweiten mitgebracht. Die offizielle Hymne, ob man will oder nicht. Britney mit Work Bitch. Beim Einlauf in das zweite Camp drehen wir die Box auf und tanzen zu unserem Erfolg der 15 Kilometer. Alle machen mit. Auch Judith, die ich dazu auffordere. Alle gut gelaunt. Erschöpft jeder auf seine Weise. Verschiedene Konditionen und Grundvoraussetzungen. Wir gratulieren uns zu jeder Etappe. Wir teilen unsere Entdeckungen von unterwegs. Fragen, ob wir jemanden mit Tee versorgen sollen. Jeder sein Trott, dennoch jeder für sich. Mir ist schnell langweilig. Ich bin ja eine Aktive. Also sammel ich Melonen. Ja, die wachsen in Damaraland überall auf dem Boden. Tsamma-Melone. Und wir spielen Boule.

Bob schnarcht und hält alle wach und bekommt sein Zelt ein bisschen abseits aufgestellt. Ellen ordnet das an. Aber mit sehr viel Feingefühl gegenüber Bob. Denn gemobbt wird hier nicht. Er war etwas Besonderes. Und genießt die Rolle. Und ganz ehrlich, da haben noch andere geschnarcht. Und von den ungenierten Fürzen von Porto. Also wirklich. Er tut, als ob nichts passiert ist und behauptet, dass der Sand solche Geräusche macht und es andauernd quietscht. Wir sind ja nicht naiv. Aber wir nicken ab. Mich stört es nicht, ich finde es auch ein bisschen bewundernswert. Vielleicht komme ich da auch noch hin. Aber die lauten Rülpser von DEM Paar machen mich fertig. Ich rülpse auch gerne. Aber ungeniert am Tisch und überall. So machen wir das in unserer Familie, wird es kommentiert, wenn wir diese Geräusche wortlos hinnehmen. Schön für euch.

Ich habe mitbekommen, dass sich meine Judith komplett mit Wanderklamotten eingedeckt hat. Ich sehe auch, dass sie zwei Paar Schuhe mit hat. Ich spreche das an. Sie rechtfertigt sich. Nein, Judith – ich beobachte nur und es wird Gründe geben. Sie will den Jakobsweg laufen und jetzt üben und herausfinden, was gut funktioniert. Auch Wanderstöcke hat sie gekauft. Ne, nur einen. Aber sie weiß nicht, wie sie damit laufen muss. Oder besser: Sie will es noch herausfinden. Denn das mag ich an ihr. Sie macht alles mit sich aus und probiert es aus. Alleine. Immer ohne Hilfe und Support. An wen erinnert mich das wohl? Genau, an mich. Da haben wir es. Alles alleine regeln und verstehen. Ich wage mich vor. Und sage ihr, dass wir heute nach der letzten Etappe im Camp üben. Ich habe keine Antwort bekommen. Ist für mich noch kein Nein. Ich habe zwei Wanderstöcke mit und ich erzähle ihr, dass ich nie gedacht hätte, dass ich sowas mal nutze. Ich gönne ihr natürlich eine Pause nach der letzten Strecke, aber dann mache ich eine Ansage: Judith, los. Wir üben jetzt mit Stöcken laufen. Sie sieht nicht überzeugt aus, aber sie steht auf. Jetzt hab’ ich sie. Ich kenn mich doch! Ich zeige ihr einmal kurz, welche Versionen und Lauftypen es gibt. Und welche Art für welche Strecke gut ist. Dann drücke ich ihr auch gleich meine Lieblinge in die Hand. Und zack. Läuft. Sie versteht. Sie wehrt sich bissl, aber macht weiter. Denn sie hat ein Erfolgserlebnis. Und das mit einem Fremden, die eine große Klappe hat. Ich weiß, das nervt. Sie sagt, dass sie jetzt versteht und zu Hause üben will. Am Abend beim Dinner wird das Thema nochmal angesprochen, wie es war und ob sie das vielleicht morgen mal ausprobieren will. Und es kam nur ein strenges: Don’t Pusch Me! Genau, lasst meine Judith in Ruhe!

Meine Periode setzt natürlich zu früh ein und ich blute auf einem Campingausflug inklusive 15 km Wandern am Tag. Schönen Dank auch. Habt ihr schon mal mitten in der Wüste ohne Büsche oder Bäume euren Menstruationscup gewechselt, während ein Freund eine Decke vor euch hält, damit die Wandergruppe und die Elefantenherde, die sich eventuell überlegt vorbeizukommen, das nicht mit ansehen muss. Jetzt hab ich das auch einmal durchgespielt. Ein Hoch auf meine Eierstöcke. Hellau!
Wir kommen am vorletzten Tag in unserem Basiscamp an und haben einen schönen Blick auf das Brandberg-Gebirge. Wir sitzen in der ersten Reihe. Es ist richtig kalt. Wir ziehen uns alles an, was wir mitgebracht haben und dazu auch noch Decken, die uns gestellt werden. Jede Lage zählt heute Abend und auch in der Nacht. Und nun. Frau Klamm will Unterhaltung und schlägt ein Spiel vor: Filme raten. Man macht mit und dann sind wir alle dabei. Diesen Spaß hat sich keiner entgehen lassen. Stellt euch drei Generationen aus drei verschiedenen Kulturen und Ländern vor, die dieses Spiel spielen. Judith mit ihren 68 Jahren betont, bevor jemand wieder die Bühne betritt, dass bitte nichts aus Marvel oder Captain America genommen werden soll. Das wird ein Running Gag. Ist gut. Nur Klassiker. Englische Titel oder Deutsche?! Alles wird wild und die Übersetzungen laufen. Und jetzt stellt euch vor, wie Kanada den Film Carrie vorspielt. Mutig. Sie spielt die Szene in der Dusche vor. Jetzt ist Judith dran. Immer der, der einen Film gefunden hat, den er vorspielen kann, geht einfach auf die große Bühne im Damaraland. Und noch bevor Judith auf der Bühne steht und loslegt, schreit mein Freund: TITANIC! So gut. Und es war richtig. An diesen Film hat sie sich noch erinnert und Marvel kennt sie ja nicht. Wir unterbrechen unsere gute Zeit mit den Filmklassikern nur, weil es Essen gibt. Endlich. Ich falle schon vom Fleisch.

Irgendwann geht es um Ehe und Scheidungen. Wir spulen wirklich alle Themen des Lebens ab. Und ich gucke zu Judith rüber und frage, ob sie verheiratet war. Ja. Ich will alles von ihr wissen. Ich bin so neugierig. Wie hat sie ihr Leben gestaltet? Und ich kann es nicht lassen. Es platzt einfach aus mir raus: Hast du aus Liebe geheiratet? Ich bin darauf vorbereitet, dass ich zu weit gegangen bin. Bin ich immer. Sie starrt mich an und sagt nach 4,568 Sekunden: Eine sehr gute Frage, Frau Klamm! Eine sehr gute Frage! Sie hat die Frage nie beantwortet.

Letzter Tag. Heute probieren wir etwas Neues aus. Die letzte Etappe nach dem Frühstück zu unserem letzten Camp: White Lady Lodge. Wir fragen, ob wir heute mal alleine laufen können. Denn sonst haben wir uns immer im Blick gehabt. Wir haben uns die Richtung zeigen lassen. Aha, da lang. Dann links. Zum Fluß. Alles klar. Ne, nicht wirklich. Egal. Hätte man sich auch sparen können. Ich gehe los. Mein Freund und Kanada sind dabei. Drei Menschen, die grob wissen, wo sie ankommen müssen. Schaffen wir schon. Wir glauben an unsere Fähigkeiten. Wir sind auch viel zu sehr abgelenkt, um uns Sorgen zu machen. Wir quatschen und entdecken die Natur. Sie verändert sich jetzt. Es wird grün. Aber vorher nochmal über Steine. Alles blinkt und blitzt. Kann man hier Gold finden? Wir holen nach 2 Stunden dann doch mal unsere Wander App raus. Besser ist. Mir wird das Smartphone in die Hand gedrückt. Mir? Seid ihr euch da sicher? Ich nämlich nicht. Orientierung ist nicht meine Stärke. Und warum zeigt der Pfeil in der App immer woanders hin? Wir besprechen alle 500 Meter, wo wir jetzt langlaufen wollen. Da ist doch schön. Ok. Weiter. Pullerpause. Essen und Trinken zwischendurch. Elefantenspuren erkennen wir mittlerweile sofort. Aber wo sind sie? Wir sind alleine. Es wird heiß. Wo jetzt lang? Wo ist dieses Camp? Ist das ein Berg? Schaffen wir das? Ist das klug hier lang? Wir stimmen ab und sind uns immer einig. So nach 3 Stunden überlegen wir, ob wir überleben werden und wir überhaupt richtig sind. Wann sind wir endlich da? Erst große Klappe, dass die Wanderung leicht ist und jetzt rumheulen. Wir erreichen den ausgetrockneten Fluss. Endlich. Wie lange noch? 2 Stunden? Bitte nicht. Ich habe mich lange nicht mehr so wohl in Gesellschaft gefühlt. Vertrauen und Input am laufenden Band. Stolz kamen wir an. Szenario Herr der Fliegen konnten wir gekonnt abwenden. Dafür bin ich zu alt. Wir latschen zur Rezeption im tiefen Sand und quengeln. Wir kommen an und man fragt uns, wo wir waren? Wir sind die letzten. Und jetzt rastet Frau Klamm innerlich aus. Boah ey. Wir waren wandern, wie ihr auch. Aber so wie wir wollten. Nun mal langsam. Man feiert, dass wir überlebt haben?! Deine Mutter hat überlebt. Ich beruhige mich schnell, denn ich muss mich um mein Unterleib kümmern. So eine richtig echte Toilette im Haupthaus der Lodge. Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich das jetzt erledigen muss. Raus aus der Situation, wo man ‘Wer ist der Beste’- spielt. Kanada und ich sehen einen fetten Schokoladenkuchen an der Bar und wissen beide, dass wir den wollen. Egal wie und wann, aber definitiv noch heute. Sie hat auch ihre Periode bekommen. Auch zu früh. Wir gehen gemeinsam zu unseren Zelten ein Stück weg vom Haupthaus und überlegen uns einen Plan für gleich: Duschen, Kuchen, Pool oder schlafen. Oder erst Pool, dann Kuchen und gar nicht duschen. Wir einigen uns auf: Nicht duschen, erst Kuchen, Drink und dann Pool. Wir sind ein gutes Team. Wir stehen an der Theke in der Bar und der Kuchen ist weg. Nicht euer ernst. Ich frage nach und der Typ hinter der Theke sieht unsere ‘Ohne Kuchen gehen wir hier nicht weg’-Augen von zwei blutenden Frauen. Er geht in die Küche und bringt uns zwei fette Stücke. Ein anderer Gast steht neben uns und fragt, ob er auch ein Stück haben kann. Nein! Ha! Wir lassen das grinsend so stehen und flüchten mit den Tellern in den Garten zum Pool. Wir haben zu tun. Der Kuchen ist nicht Bombe, aber Plan ist Plan. Und jetzt Pool. Es macht Zisch. Anderer aus unserer Wandergruppe hatten auch die Pool-Idee und wir setzen uns zusammen und werden auf einen Drink von Porto eingeladen. Wir nehmen dankend an. Stößchen. Auf uns! Die Letzten werden die Ersten sein. So steht es doch in der Bibel. Auf uns!

Essen. Was sonst. Also zurück zu unserem Platz und Zelten. Vorher legen mein Freund und ich uns noch eine Feuchtigkeitsmaske auf. Unsere Haut lechzt nach Feuchtigkeit. Eingemurmelt in Decken essen wir Zebra. Wir bekommen ein Abzeichen. Ach, schöne Idee! Danke. Wir stoßen nochmal an und lassen es uns die letzten Stunden gemeinsam gut gehen. Wie jeden Abend. Ich weiß schon nach zwei Tagen, dass ich das wochenlang machen könnte. Eine schöne Zeit. Ein letztes Mal werden wir geweckt: Good Morning Angels. Good Morning Charlie. Ab in den Van zurück nach Windhoek. Es platzt ein Reifen und ich bin die einzige, die das nicht gerafft hat. War ja nur kurz mal ein bisschen holprig. Ach so fühlt sich das an, wenn ein Reifen platzt. Reifenwechsel. Ein paar Snacks. Wir wollen ja nicht verhungern. Geschafft. Wir fahren wieder. Pausen in kleinen Orten. Snacks. Und eine große Verabschiedung vom Team. Hier trennen uns unsere Wege?
Die Idee geht um, ob wir heute Abend gemeinsam noch einen Absacker und Essen (Ach, eine Überraschung!) haben wollen. Klar. Nicht alle können, schade. Ich habe meine letzten Momente mit meinem Liebling Judith und sie erzählt von ihrer schweren Zeit mit ihrem Kind, wo die Ärzte schon aufgegeben haben. Aber sie hat gekämpft. Bewundernswert. Ich wusste von Anfang an, dass ich sie mag.
Ich hatte eine gute Zeit. Einfach mal in etwas gestürzt, was ich vielleicht nicht ohne meinen Kumpel gemacht hätte. Er hatte die Idee. Ich bin stolz und ich entdecke immer mehr die Natur für mich. Auch wenn ich im Herzen immer Asphalt-Lady sein werde?! Mehr davon. Was mach ich als nächstes?