Ich konnte schön fein und mit sehr viel Komfort in Namibia bisher leben. Eigenes Badezimmer. Eigenes großes Bett in meinem eigenen Zimmer. Dann in einem Zelt, aber alles wurde organisiert. Also nur reinlegen. Auch Luxus. Dann im Apartment bei meinem Kumpel. Klein, aber Luxus. Chillen im Betongarten. Dazu Bobby an meiner Seite.

Bobby macht seinen täglichen Powernap.

Essen gehen mit den Eltern. Ein Leben, sag ich euch. Und dann wird es Zeit auszuziehen. Nicht weil ich meinen Kumpel nicht schätze, aber es ist echt zu eng und er hat ja auch noch ein Leben. Ich buche mir ein Hostel in Windhoek. Billig. Nehm ich. Ein wunderschönes Haus. Hier kann eine 20-köpfige Familie leben. Pool. Garten. Veranda. Drei Bäder. Unendlich Zimmer und Winkel. Waschhaus und eine eigene ‘Hier kann die Wäsche trocknen’-Ecke. Garagen. Deutsche Architektur. Aber so unordentlich und dreckig. Leute, lasst doch dieses schöne Anwesen nicht so verkommen. Schande! Oberflächen und das gröbste wird ordentlich gehalten, aber überall liegt etwas rum. Kram. Das Wohnzimmer mit TV und Büchern ist voller Staub, aber wir reden hier nicht von 2 Wochen Staub. Der liegt seit Monaten. Vielleicht Jahre. Keine Liebe. Kein Interesse. Die Gäste kommen ja eh. Gebt mir 4 Tage und dieses Haus glänzt. Aber ich bin tiefenentspannt. Es ist lediglich eine Beobachtung und ich habe schlimmer gelebt. Betten und Matratzen sind top und das reicht. Ich checke ein und bin Profi. Essen in den Kühlschrank. Neben schimmligen Tomaten. Klamotten verstauen. Sachen wegschließen und ab in den Garten. Ich kenne das Spiel ‘Ich lebe in einem Hostel’. Mit der Frau, die die Wäsche macht einen Termin vereinbaren. Ist das auch erledigt. Ich stelle meine große Tasche mit meinen dreckigen Klamotten von der Wanderung einfach neben die Waschmaschine. Und hier trocknet alles in wenigen Stunden. Das ist alles am gleichen Tag trocken. Es hängen Veranstaltungsplakate von 2011(!) im Hostel. Also, Input zu möglichen Ausflügen oder Touren werde ich hier nicht bekommen. Service und Einstellung von Eigentümern und Personal ist auch Afrika-Style. Keine Wertung. Einfach eine andere Kultur und Fakt. Zeit hat eine andere Bedeutung. Es lebt gerade eine deutsche Studentengruppe mit mir. Jung und dynamisch. Studieren hier und hängen ab. Ich rede nicht und chille nur. Ich genieße den Pool und die Sonne. Der Sommer kommt. Ich verstehe alles, was geredet wird. Süß. Digga! Brudi! Ich lasse mir nichts anmerken. 

Packen gehört zu meinen täglichen Aufgaben auf der Reise.

Ich beschließe mal wieder selbst zu kochen. Vorkochen für die nächsten 3 Tage, denn ich werde bald wieder an die Küste nach Swakopmund fahren. Windhoek ist echt kein Ort, um zu bleiben. Wenn man einen Job, Familie und Verpflichtungen hat, dann ja. Also mache ich hier mal eine Pause. Big Brother spielen. Ich fange in der verkruschtelten Küche an, Wasser für meine Nudeln aufzusetzen. Eine 74-jährige Frau aus Hongkong kocht auch gerade. Laut und schnell. Sie macht sich eine Hühnersuppe. Zack Zack. So schnell kann ich gar nicht gucken. Ich suche einen Dosenöffner für meine Tomaten. Und zack steckt das Messer von ihr in meiner Dose. Kommentar: Lösung finden. Ok, danke. Ich lasse das alles geschehen. Vor 11 Monaten hätte ich noch Aufstand gemacht? Mich behauptet oder alles persönlich genommen. Ich weiß gar nicht, was genau ich denken würde, aber ich muss selbst über mich schmunzeln. Ist halt so. Diese Frau hat Feuer. Und dann sieht sie, wie ich versuche zu kochen. Und dann haut sie doch beiläufig raus: Kochst du das erste Mal? Gott sei Dank habe ich Humor. Witzig. Ja, mit dir kann ich nicht mithalten. Sie zaubert aus allem, was sie noch hat, eine Suppe, die köstlich riecht. Nebenbei macht sie noch Burger und sie wird das alles aufessen. Wo geht das hin? Sie ist 1,50 m groß und wiegt vielleicht 50 KG. Wir sind nicht alleine in der Küche. Zwei Männer fangen an zu backen. Ein Chaos. Es werden Küchengeräte gesucht: Waage, Messbecher, Rührgerät. Alles ist nicht mehr im besten Zustand und ich hätte es auch vorher abgewaschen. Ich gucke zu. Die 5 Meter Arbeitsplatte ist vollgestellt und ich dazwischen. Ich ziehe mein Nudelziel durch. Alle rühren, kosten und kochen und backen noch. Ich sitze mit meinem Fastfood schon im Garten und schlemme. 

Ich musste schon aus vielen hässlichen Tasse trinken, aber diese ist eine Frechheit.

Das eine Klo ist im Hostel ist verstopft. Die Haarbüschel stapeln sich. Es riecht nach Weed und alle machen ihr Ding. Es stapeln sich leere Plastikflaschen am Pool. Ich kann trotzdem entspannen. Mir egal. Genial, oder? Ich schwimme meine Runden im Pool, was bei der Hitze dringend notwendig ist. Man ist müde und weiß nicht warum, und nach einer Poolsession ist man wieder wach. Jetzt weiß ich, warum jeder einen hat. 

Robinson Club ist auch in Hostels möglich.

Ich liege in der Sonne und denke nichts. Gucke den Vögeln beim Nestbau zu. Minutenlang. Dann schließen sich meine Augen. Und wir wissen ja, dass ich nicht zur Ruhe komme. Stichwort Begegnungen. Darauf kann ich mich mittlerweile verlassen. Man spricht mich direkt an und weckt mich. Tanja (Name geändert) sagt mir Hallo und fragt was ich so mache. Na, eigentlich ist das ja offensichtlich, aber wir sind mal nicht so. Ich setze mich aufrecht auf und merke gleich, dass hier ein Gespräch eingefordert wird und ich entscheide mich dafür. Man weiß nie, was es bringt. Bisher immer Input. Also los. Sie ist Ärztin, spezialisiert auf Lungen, aus Heidelberg und hat ihren Urlaub genutzt, um in Namibia ein Praktikum im Krankenhaus zu machen. Aber so richtig zu tun hat sie nicht. Langweilig beschreibt sie es. Ich drehe es um und sage, dass es nur anders ist und man ja trotzdem was mitnimmt. Stimmt, meint sie. Sie ist auch nicht ausgelastet und fragt, was ich so mache und vorhabe. Ich erzähle ihr von meinem Plan, an die Küste zu fahren, weil hier echt nichts los ist. Dann doch lieber faul am Atlantik und in der Stadt flanieren. Sie wird neugierig. Sie ist noch nicht so frei, sich ihren Aufenthalt hier selbst zu gestalten. Mit wenigen Sätzen stelle ich ihr ein Konzept vor, wie sie sich ihr Leben hier gestalten kann, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Ist ja nur eine Idee. Das sitzt. Ich müsste damit Geld verdienen. Geh in die Nationalbibliothek und guck dir die Tuberkulose Fälle seit 1907 hier in Namibia an. Wird ja noch nicht digitalisiert sein. Und in Deutschland wirst du darauf keinen Zugriff haben. Mach was, aber heul nicht rum. Füttere dich mit Infos und gestalte dein Leben. Von Innen nach Außen und nicht umgekehrt, Kind! Frage bei anderen Arztpraxen an und verbringe dort mal eins zwei Tage. Geh in Dörfer und Townships und guck dir die medizinische Versorgung an. Du bist ja nicht gefangen und freiwillig hier. Sie bedankt sich für den Input. Und noch am selben Abend entschließt sie sich, mit mir nach Swakopmund zu kommen. Sie erwischt noch einen Platz in dem Shuttle am Nachmittag. Sie will sich für den Freitag im Krankenhaus abmelden, traut sich nicht. Sie zögert. Ich sage, dass du nicht fragst, sondern nur Bescheid gibst. Du hast keinen Vertrag. Sie strahlt, als das alles so geklappt hat. Sie hat wieder Energie. Na da freue ich mich doch. Wir verabreden uns an der Küste und ich frage sie, ob sie mit mir eine Tour in die Dünen machen will. Quad und Sandboarding. Klar! Ich organisiere alles und am Freitagmorgen stehen wir vor den Dünen und haben eine Privattour, denn kein anderer hat gebucht. Das liebe ich ja sehr – allein allein und wir sind die Ersten in den Dünen und fahren mit den Quads los. Später kommen uns andere Gruppen entgegen und das ist doof, wenn man keinen freien Blick auf diese schöne Wüste hat. Alles richtig gemacht. Die Boards im Gepäck. Wir sind auf Automatik eingestellt und müssen nur Gas geben und bremsen. Ich starte mit 15km/h und später bin ich bei 50km/h. Das macht Spaß. Dünen hoch und runter. In der Spur vom Guide bleiben, denn er kennt sich mit dem Sand aus. Und er gibt uns regelmäßig Zeichen, wenn wir Gas geben sollen, sonst bleiben wir stecken. Aye aye. Und dann wird es erst. Mit einem Board, was auch noch gewachst wird, die Dünen runterbrettern. Ich muss mich richtig motivieren, um nicht einen Rückzieher zu machen. Das sieht sehr steil und schnell aus und ist es auch. Aber wenn ich eins gelernt habe – MACHEN! Und danach bin ich glücklich und habe etwas erlebt und kann stolz auf mich sein. Schisser sein ist nicht mehr. Es geht los. Kopf nach oben. Brett vorne hoch halten. Und dann los. Mit den Füßen lenkst du dich, falls du abdriftest. Und das musst du auch mehrmals machen. Volle Konzentration. Das ist Adrenalin, denn du willst nicht, dass dein Gesicht die Bremse ist. Das tut bestimmt weh. Und wir machen es nochmal. Aber erstmal wieder die Dünen hochkommen. Ich habe es schon einmal erzählt. Wandern macht Spaß, aber nicht steil nach oben. Schnauf. Geschafft. Wir schwingen uns wieder auf die Quads und ich frage den Tourguide, in welche Richtung Swakopmund liegt, denn wenn er ausfällt, sind wir hier definitiv verloren. Ein Funkgerät hat er dabei, aber man weiß ja nie. Wir werden schneller, jetzt haben wir es ja ein bisschen mehr raus mit diesem Spielzeug. Geil, sag ich euch. Meine neue 48h-Freundin und ich gehen danach noch zusammen ins Café und tauschen uns über unser Leben aus. Ich kenne diese Gespräche schon. Aber es ist nicht nervig oder anstrengend für mich. Sie wird noch eine Tour zum Sandwich Harbour machen, die ich ihr empfohlen habe und wir verabreden uns nochmal zum Frühstück am Sonntag, bevor sie wieder nach Windhoek fährt. Ich bleibe in Swakop. Ich habe die gleiche Unterkunft gebucht, wo ich schon vor 2 Wochen war. Das Surf-Hostel. Man kennt sich. Feierlich werde ich begrüßt. Ich bin jetzt offiziell ein Longterm, also jemand der länger in einem Hostel lebt. Was habe ich noch vor Monaten über Hostels geflucht, wo nur Longterms absteigen. Und jetzt bin ich eine davon. Am Abend sitzen wir zusammen und spielen Tischtennis, Karten und witzige Trinkspiele. Eingeschworene Gruppe. Man hängt zusammen ab. Zwei Hunde, die ich lieb gewonnen habe. Eigentlich schon ein Zuhause. Ich chille nur, lese und höre Musik. Auch mal ein Spaziergang und Teechen. Dazu die Atlantikluft. Was willst du mehr.

Überall schlafende Hunde. Die wollen wir ja nicht wecken.

Hostelleben ist wie Ferienlager. Ich werde noch bleiben und auch wiederkommen. Es brechen die letzten Tage meiner Reise an. Mein letzter Monat, bevor ich wieder nach Berlin fliege und schaue, wie es weitergeht. Meine eigenen vier Wände. Eigenes Bad. Echte Handtücher. Kann ich das überhaupt noch oder muss ich wieder in eine WG ziehen. Wir werden sehen. Fazit: Hostel kann ich. Egal welche Kategorie. Will ich und habe keinen einzigen Tag bereut. Schimmelige Küchen, Kakerlaken, verstopfte Klos, laute Mitbewohner. Ja, aber ich habe so viel erlebt und tolle Leute vor Ort kennengelernt. Und am wichtigsten für mich, ich bin aus meinen alten Mustern ausgebrochen. Aber versteht mich nicht falsch, Ritz Carlton und das Adlon würde ich nie ablehnen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. So ist ja nich!