Vor 4 Monaten oder so saß ich an meinem Schreibtisch in Berlin und habe mir aus Vorfreude mal die Weltkarte angeguckt, um herauszufinden, wo es hingehen kann. Japan, Korea, Neuseeland ….auf jeden Fall. Grob mir mal die Übernachtungskosten und Preise der öffentlichen Verkehrsmittel angeguckt. Was kosten Flüge? Das alles habe ich mir groß an meine Wand geschrieben und mir klar gemacht, was die Reise kosten kann. Ich weiß jetzt auch, dass, wenn man viel Zeit hat, nichts planen sollte und kann. Du weißt nicht, wie du auf ein Land reagierst oder was das Land mit dir macht. Es kommt anders. Guck es an und finde es heraus. Ich dachte aber noch vor Monaten nach einer 30 minütigen Recherche über Australien, dass es mich nicht interessiert. Boah war ich gelangweilt. Meer. Wüste. Klippe. Wasserfall. Nein, danke. Ich habe Australien dann fett mit einem roten Marker durchgestrichen. So dumm und naiv. Aber das Timing ist entscheidend. Wenn du mit Korea und Japan startest, dann freust du dich, in einem Land zu sein, was aus sich rauskommt und nicht so distanziert ist. Die Sprache. Der Humor. Jetzt bin ich im Australien-Himmel und erkenne mich nicht mehr wieder. Ich rede, lache und lebe wieder. Ich mache Touren bis zur Erschöpfung. Lerne Menschen kennen, lieben und hassen. Natürlich ist es entscheidend, dass das Hostel einfach traumhaft ist und ich so herzlich empfangen worden bin. Nach Japan wäre aber ein Treffen mit jedem westlichen Arschloch eine Freude. Außer mit Trump …
Dann kann ich unter einer Palme Touren buchen, zeige nur auf Fotos in einem
ausgeblichenen Flyer und sage: Das da ich sehen wollen! Dann nur noch meine Karte hinhalten. Ich weiß gar nicht, was arme Menschen haben. Ist doch so einfach! Alles sehr bequem und in einer Sprache, die ich kann. Obwohl man Australisch jetzt auch nicht so richtig verstehen kann. Und die reden so schnell. Ich vermute, das liegt am Tourismus, wo du alles öfter und mehrmals sagen musst. Diese Stadt lebt von so einem Korallenriff. Soll sehr außergewöhnlich sein?! Ich werde definitiv mir noch viele andere Gegenden in Australien angucken. Jetzt verlängere ich gerade alle 2 Tage meinen Aufenthalt im Hostel. So zu leben …aufstehen und zur Rezeption gehen und sagen: Mach nochmal ne Runde! Bis Freitag! Danke dir! Erstmal ausruhen – dafür 2 Tage und endlich werde ich das Great Barrier Reef angucken, was ich ja schon immer mal sehen wollte. Ein Lebenstraum! Bis jetzt immer noch eine gute Geschichte, wenn ich hier im Hostel erzähle, dass ich bis vor 4 Tagen noch nie etwas davon gehört habe. Ich ruhe mich unter den Palmen aus und ich muss schmunzeln, dass ich Australien so gar nicht auf dem Schirm hatte. Ich bin dankbar und sauge nur auf. Ich bin jetzt die Japanerin in Australien, weil ich überall einnicke. Weil ich so erschöpft bin. Regenwaldwanderung, Krokodilse beobachten und Koalabären beim Nichts tun, bei 34 Grad, zugucken. Im Zug durch den Regenwald bin ich tatsächlich kurz eingenickt. Die Kinder der japanischen Familie haben mich witzig angeguckt, als ich aufgewacht bin. Woran ich erkenne, dass die Familie aus Japan kommt? Ich erkenne die Outdoor-Marken! Montbell! Ich weiß Bescheid! Diese kulturellen Sprünge und Klimazonen machen etwas mit einem. Das sind Gegensätze. Daran erinnert werde ich, wenn ich mein Ladegerät rauskrame und ich die roten Handschuhe in einem Zimmer, wo mindestens 32 Grad sind, in meinem Rucksack aufblitzen sehe. Und ich komme aus dem Reden im Hostel nicht mehr raus. Ich habe mir schon überlegt ein T-Shirt zu drucken, wo drauf steht: I am deaf! Bei meinem Glück textet mich dann jemand mit Gebärdensprache zu. Dann kann ich nur noch mitteilen, dass ich begriffsstutzig bin und ich keine gute Gesprächspartnerin bin. Zum Glück ist bei 4 Personen eine dabei, die mich mit Energie vollpumpt. Wo ich nach und noch während des Gesprächs mindestens 2 Denkanstöße habe. Zuletzt traf ich eine starke Frau aus London. Sie hat mich sofort erkannt, weil sie mich in die Gruppe integriert hat, die mich gelangweilt hat – sie diese aber unterhalten hat. Sie hat die Energie dafür und ich bewundere das. Und dieser Akzent. Damit kriegst du mich. Sie war die einzige, die über meine Witze und Kommentare gelacht hat. Oder einfach auch verstanden hat?! Das kann doch nicht so schwer sein. So klug und weise. Also die Londonerin. Auf der High School wollte bestimmt jede*r mit ihr befreundet sein. Wir beschließen als Gruppe, uns nicht das Feuerwerk um 21 Uhr für die Kinder anzugucken, sondern das um Mitternacht. Also haben wir noch Zeit. Ich trinke meine alkoholfreien Biere und die anderen hauen mit echtem Alk rein. Die Kommentare von einem sexistischen Kerl mit Tendenzen zum Asperger, dass ich doch Deutsche bin, ignoriere ich. Die anderen auch! Andere Kommentare werden aber sowas von auseinander genommen. Er kam trotzdem mit. Neue Generation an Frauen! Liebe ich! 2000 wäre das Gespräch noch anders verlaufen. Nüchtern geht’s auch! Und ich hänge an den Lippen meiner Londonerin. Sie kann plappern. Herrlich. Alles hat Tiefgang. Kein Bla Bla. Ich frage frei nach, wenn ich Worte nicht verstehe. Sie erklärt es mir aufrichtig, ohne zu bewerten. Es stellt sich heraus, dass sie Lehrerin ist. Aber für Mathe. Ein Minuspunkt, meine beste Freundin für heute Abend. Sie haut Kommentare raus, die ich nur mit einem schallenden Lachen kommentiere. Britischer Humor at it’s best. An ihrer Seite bleibe ich. Dafür bleibe ich wach. Wir gehen los. Wir suchen uns an der Promenade als Gruppe einen Platz. 4 Menschen, die sich gerade mal 24h kennen, bzw. einfach nur im gleichen Hostel leben und sich im Garten getroffen haben. So unterschiedlich. Aber Respekt und Toleranz …und Humor so wichtig! – ist die Basis. Ich spiele, weil mir langweilig ist, mit meinen Silvesterfreunden das Spiel: STOPP. WEITER. START. Also was soll 2025 aufhören, was soll weitergehen und was kann/soll starten. Alle machen mit. Man lernt viel von dem Fremden neben sich. Geständnisse. Es bleibt unter uns. Alle sind ehrlich. Wir motivieren uns gegenseitig. Jeder haut mal eine Weisheit raus, zu einem Thema, was man schon durchlebt und durchgestanden hat. Es ist eine interessante Dynamik. Eine Französin, 26, möchte nicht mehr so verunsichert sein, was andere Menschen über sie denken. Ich haue nüchtern raus: Niemand interessiert sich für dich! Vertrau mir! Aber ich habe es nicht so gesagt, wie es klingt. Sie hat es verstanden und genickt. Ein junger Italiener, der nach Australien ausgewandert ist, möchte ein Mädchen küssen. Eine Karriere als Künstlerin und ein Kind sind in Planung. Und ich? Geht euch gar nichts an! Wir stehen auf. Wenige Sekunden. Keiner zählt den Countdown runter. Häh!?!? Die Londonerin und ich gucken uns an und wir sind uns einig und SCHREIEN in die Menge: 10 9 8 …7 …Man dreht sich zu uns um und wundert sich. Man filmt uns sogar. Niemand zählt runter?!?! Was ist hier los. 0 Uhr. Und das Feuerwerk geht los. Joah. Also ein Feuerwerk in Korea an einem unbedeutenden Dienstag am Strand hatte mehr zu bieten. Sorry. Aber das können die Koreaner. Ich gucke die Londonerin an und sie versteht mich. Wir gucken weiter. Es ist vorbei. Wir gucken uns wieder an. Gruppenumarmung. Vorschlag von dem Sexisten. Wir machen mit. Sehr verhalten. Aber alles irgendwie ehrlich und süß. Um 00:12 Uhr führen wir keine Grundsatzdebatten. Und jetzt mein Highlight. Die Londonerin, bei der ich mich auf jeden Satz freue, sagt trocken zu mir – mit einer Patsy Stone Attitüde: „Da machen meine reichen Freunde ein besseres Feuerwerk auf ihrer Farm.“ Und darum mag ich dich. Niemand hat gegrölt oder laut geschrien. Keine Böller. Komisch. Also gucken wir uns beide an und sind gleichzeitig richtig laut und lassen den europäischen Proll raushängen: SCHALALALALALALALALALALALALA….zwei junge Männer machen kurz mit. Aber auch nur aus Angst, weil wir wie zwei Amazonen wirken. Oder sind?! Da macht man mit oder stirbt. Nichts los. So feiern also Australier. Ich löse mich von der Gruppe, denn das Spielchen noch in eine Bar zu gehen …kenne ich. Es wird nicht gut. Nicht für mich. Alles schon zig Mal durchgespielt – Preis ist mir mittlerweile zu hoch. Ich winke und laufe einfach weiter. Zwei aus der Gruppe sagten mir am nächsten Morgen, dass sie es bereut haben. Ich nicke und sage nichts. Ich habe noch eine bewusstlose junge Frau in stabiler Seitenlage gesehen. Krankenwagen ist unterwegs. Es wird sich schon gekümmert. Ein Typ, der im Hostel mal für ein Umtrunk da war (Hatte Freunde hier?! Egal, nicht alles hinterfrage ich!) und hier im Ort in einem Hotel arbeitet sieht mich und rief laut: ‚Germany‚! Das bin ja dann wohl ich? Und wir begrüßten uns und wünschen uns ein frohes neues Jahr. Ich also weiter, mit 0,0 Promille, ins Hostel zurück. Alle weg. Geil. Kaltes Zimmer. Noch geiler. Jemand hat noch einen Aussie Dollar für die Aircondition reingeschmissen. Gönnung! Hier vibriert kein Bett, sondern es wird kalt, wenn man einen Coin investiert. Ich erfahre am nächsten Morgen, dass kurz nach Mitternacht im Hostel eingebrochen worden ist. Vielleicht habe ich den Einbrechern ein frohes neues Jahr gewünscht?! Das wäre ein bisschen witzig. Aber nur, wenn die Schweine nicht meinen Reisepass geklaut haben. Nein, ich habe niemanden getroffen, aber vielleicht waren die noch im Haus. Ja, mir egal – bei der Hitze ist man eh entspannter. Macht mal. Aber leise. Ich schlafe selig ein. Ich habe die letzten 2 Jahre hart an mir und für meine Zukunft gearbeitet. Ich bedanke mich bei mir, dass ich da bin, wo ich gerade bin. Glücklich irgendwo. In Australien. Am Leben und alles ist offen. 2025 kann kommen.