So schnell regt mich nichts (mehr) auf. Es gibt genug Menschen, die zu Recht oder zu Unrecht über die Deutsche Bahn schimpfen. Es macht einfach keinen Spaß mit denen zu reisen. Fakt. Zug fällt aus. Info kam 2 Wochen vorher via Mail. Nicht schlecht. Solle mir eine neue Verbindung aussuchen. Kein Problem. Mir wurden Vorschläge gemacht. Ich wähle aus. Dann die Info, dass ich prüfen soll, ob mich mein Sparpreissupadupa-Ticket dazu berechtigt diese Ersatzverbindung zu nehmen. Häh. Das soll ich jetzt auch noch selbst rausfinden. Ich denke nicht. Ich hab nicht mal die Möglichkeit durch Verlinkungen zu FAQs zu diesem Thema selbst zu recherchieren. Ich ignorieren und schieße mich auf den neuen ICE ab 8:29 Uhr ein. Abgehakt. Ich solle mir mein Ticket neu generieren und herunterladen. OK. Aber es kommt kein neues Ticket bei raus. Verunsichern kann die DB.

Abfahrtstag. Alles durchgetaktet. Rest einpacken. 5 Tage und ich schleppe mich wieder zu Tode?! 5 Tage oder 1 Jahr. Du brauchst einfach immer deine 25 Teile. Heißwasser für meinen Tee im Zug. Haferflocken. Alles in Ruhe. Dann überlege ich nochmal in die DB App zu gucken. Hm …jetzt fährt doch mein eigentlicher Zug. Ab 8:12 Uhr. Ich verstehe nichts mehr. Warum bekomme ich keine Mail, dass der wieder fährt. Lief doch so gut mit den Benachrichtigungen. Ich entscheide mich meine neue alte Verbindung zu nehmen. Aber das sind 15 Minuten Unterschied. Jetzt wird’s eng. Müll noch wegbringen und ein Retourenpaket zum Späti. Und wie komme ich zum Hauptbahnhof. Spannende Aktion.

Das schönste kommt noch. Ich schäme mich für nichts. Aber bissl Geduld noch.

Ich habe noch 8,65 Min bis der RE Richtung Senftenberg ab Zoo abfährt. U2 ab Wittenbergplatz fährt erst in 4 Minuten ab. 2 Minuten Fahrt durchschnittlich. Ich schwitze. Und kotze. Entspannt ist anders. Ich habe 2 Minuten vom Bahnsteig zu Gleis 1 zu kommen. Es ist vor 8 Uhr. Die Chancen stehen gut. An drei Urinpfützen vorbei. Alles noch frisch. Ein- und ausatmen. Der Zoo bleibt Zoo. Touris sind mein Hürdenlauf.  Nebenbei noch so richtig schön stöhnen. Geil. Zug fährt ein und ich komme gerade die Rolltreppe hoch. So fühlen sich Pendler?

Hauptbahnhof. Ein DB-Mitarbeiter erklärt einem Kollegen die Verbindung zwischen Elsterwerda und Berlin. Ich hoffe, dass das keine offizielle Schulung ist. Man darf sich auf keinen Fall in die DB-Thematik reinsteigern. Man wird verlieren.

Uff. Durchgeschwitzt. Bahnsteig ist voll. Zug fährt früher ein. Wir haben also 20 Minuten Zeit gemütlich unseren Platz zu suchen. Ja, ich habe eine Platzreservierung. Ich bin Ü40! Ich fahre selten in Deutschland Zug. In Kanada kenne ich mich mittlerweile besser aus. Ein Zug kann aus zwei zusammengesetzten Zügen bestehen, habe ich gelernt. Daher finde man nicht schnell seinen Wagen. Denn nach der Nummer 22 kommt 35. Die spalten sich dann irgendwann. In Service und kein Service?! Ich habe nachgefragt. Dann habe ich es kapiert und kam im Wagen 33 an. Richtung Garmisch-Partenkirchen. Was ist das?! Ein Gewusel. So viele Rollkoffer lange nicht gesehen. Familien. Hunde. Kinderwagen. Zirkus. Ich bin gelassen. Stehe vor meinen Sitz. Besetzt. Ich gebe der Person zu verstehen, dass ich mich auf den anderen Platz (mit Tisch!) gleich nebenan setze. Ein gebrochenes: Daenkä.

Und jetzt geht’s los. Ich werde geshhhht. Von einer Frau hinter uns. Alta. Du hast vielleicht nur noch 2 Sekunden zu leben, du Nuss. Es kommt eine Durchsage. 3 …2….1….alle stehen auf. Der Zug wurde falsch vorbereitet. Alles ist andersrum. Alle sitzen falsch. Alle müssen genau ans andere Ende. Stellt euch das bitte bildlich vor. Apokalypse. Ich bin natürlich sofort in der Gaycommunity. Egal wo. Ich bin sofort ein Teil davon. It’s a gift. Grüße gehen raus an #Jack2000. Er erklärt es mir in unserer Sprache. Wir gehen gemeinsam zu unseren neuen Plätzen. Alle raus. Panik ist es nicht. Eher ein kollektives Gestöhne. Irre. Ich sage laut, ich konnte es mir einfach nicht verkneifen: ‚Macht hinne, wir fahren pünktlich ab!!!‘ Blicke töten. Gut, dass der Spalt zwischen Bahnsteig und Zug nicht breit genug für mich ist. Und mich zu schubsen …das überlegt man sich ganz genau.

Also Völkerwanderung auf Gleis 2. Tach, tach. Zwischendrin Leute, die das nicht mitbekommen haben. Eine Mutter überlegte noch …überhaupt zu wechseln. Keine Zeit mehr für Kinderwagen raus, ans andere Ende des Zuges und wieder rein. Die verwirrten Touristen sind langweilig. Spannend sind die Berliner mit der dazugehörigen Schnauze. Selten so aggressive (natürlich nur freundlich gemeint!!!) Ansagen, Gestöhne und ShitStorm gehört. Auf Berlinerisch!!! Kurt Krömerse schlecht druff. Ich hatte richtig Spaß. Ein Vater schrie vor der Tür so krass: WO DU BIST MEINE FRESSE!! Ich hab ihn so gefühlt. Wollte ihn umarmen. Heimatliebe. Ick tippe auf Steglitz. Dann kam ein Junge mit Rollkoffer eilig an mir vorbei. Wahrscheinlich sein Sohn. Vati hat geregelt und Ansagen gemacht jetzt nochmal auszusteigen, um in den richtigen Waggon zu steigen. Er fährt wahrscheinlich alleine. Der Arme und dann so ne Aktion. DB-Trauma.

Und jetzt Auftritt Frau Klamm. Ich mache mir morgens mit einem Cremerouge zwei fette Punkte auf die Wangen und verteile das dann perfekt mit der Hand, um Farbe im Gesicht zu haben. Heute war das anders. Denn nach den Punkten auf die Wangen … hab ich die DB App gecheckt. Genau. Ich habe die Punkte nicht verschmiert!!! 30 Minuten im ICE Richtung Süden merke ich es. Denn wir schwitzen alle und ich wische mir den Schweiß von der Stirn und die Ecke des Taschentuches streift meine Wangen. Alles Rot. Frau Klamm ist von Haustür, zum Späti, in der U2, im RE und dann im ICE mit zwei roten Punkten rumgelaufen. Von meinem neuen schwulen Freund hätte ich wenigstens erwartet, dass er mich fragt, ob das Absicht ist. Ich amüsiere mich über mich.

Schweiß lässt nach. Rouge sitzt. Jetzt ein englischen Tee. Wir fahren. Nur 5 Minuten Verspätung. Ich gehe fest davon aus, dass es nicht alle geschafft haben die Wagen zu wechseln. Es geht ums nackte Überleben. Hauptsache ich komme zu meiner Freundin nach Tübingen.