Nach 10 Tage in Cairns ziehe ich weiter. Dass ich da mal wegkomme hätte ich selbst nicht gedacht. Ich hatte vergessen, dass das Land ja noch andere Städte hat. Arsch hoch. Einen Tag noch in der Hitze überleben und einen Spaziergang in meinem neuen Longsleeveshirt, was mich vor Sonne schützt. Ich kann nicht mehr nur in Baumwolle rumlaufen. Es sieht aus wie ein Oberteil, was man beim Eiskunstlauf trägt. Kapuze. Schlitze für die Daumen. Aber es ist gegen die Sonne. Und wenn auch nur für Australien. Ich hab es gekauft. Schutz First. Ich bin so braun, dass man meine Dehnungsstreifen überall sieht. An den Knien am meisten. Ich habe immer schmutzige Knie, wenn ich braun werde. Es klebt alles. Duschen ist nur für die Erfrischung. Aber nach 4 Sekunden badest du wieder in deinem eigenen Schweiß. Geil. Die Tropen. Hitzewelle. Definitiv. Morgen checke ich aus. Ich sehe mich schon mit meinem Gepäck hecheln. Jetzt reicht’s. Ist halt so und geht allen so. Der Bahnhof ist 2 Minuten von meinem Hostel. Ich bin so schlau. Bus kommt schon. Fein. Wir machen es uns alle gemütlich. 5,5h. WLAN. So kalt, dass ich mir noch mein Winterpullover aus dem Koffer hole. Musik. Von mir aus kann es losgehen. Wir rollen. Schöne Landschaften. Mein erster Tag mit richtig Regen. Es ist ja auch offiziell Regenzeit. Aber ich hatte bisher keine Tage, wo der Regen mir in die Quere kam. Jetzt ist es OK für mich. 50 Minuten sind schon vergangen. Die ersten Lunchpakete sind schon aufgegessen. Ist wohl in jedem Land und auf jeder Busfahrt gleich. Der Bus macht komische Geräusche. Wir halten irgendwo an einer kleiner Haltestelle, wo LKWs und Busse unter ein Dach fahren können und sogar Klos gibt es. OK. Bis jetzt noch nicht wichtig. Aber der Fahrer murmelt in seinem hartem australischen Akzent, das was nicht stimmt. Ich muss so laut lachen, wenn ich diese Zeilen schreibe. Wir verlassen alle den Bus, weil schon 20 Minuten vergangen sind. Der Fahrer ist genervt und gibt auch keine Auskunft. Selbst die Locals kommen nicht an ihn ran. Und die verstehen ihn auf jeden Fall. Er hat jetzt jemanden angerufen. Wir haben kein Öl. Aha. Alle noch gut drauf und wir denke, dass sich hier hart gekümmert wird. Es regnet. Angenehm. Wir haben ein Dach und Klos. So langsam ein Vorteil. Ich gucke mir die plattgefahrenen Frösche auf der Fahrbahn an. Neben mir der beeindruckende Regenwald. Das satte Grün. Die Wolken. Der nächste Regen kommt. Der Busfahrer redet nicht mehr, sondern lehnt neben ’seinem‘ Bus und wartet. Würde er uns denn auch mitteilen auf was? Buschfunk geht los. Es soll ein Mechaniker unterwegs sein, der Öl bringt. Aha. Nun gut. Ich gehe zu der Bank unter einem Dach, wo ein Pärchen raucht und gackert. Ich will mitmachen. Ich nicke. Sie nicken. Dann kommt ein Typ, den ich sofort in einem Gayclub in Berlin stecken würde. Klischee. Ich weiß. Aber ich darf das. Oder?! Er ist bei der Armee und hat in den UK alles hinter sich gelassen und lebt jetzt hier. Es geht los. Ich bin Teil der Gruppe. Ganz klar. Aber ich rede nicht. 3,5h nicht. Ich höre feinsten australischen und englischen Akzent. Und ich habe keine Energie, um zu reden. Schwül und ich lache. Tränen. Die Drei hauen nur raus. Britischer Humor at it’s best. Dafür hätte ich Eintritt gezahlt. Ein bisschen Sarkasmus und ganz viel – ist halt so und wir haben Spaß. Wir haben Wetten abgeschlossen, dass der Busfahrer die Endstation noch nie gesehen hat. Jedes Mal eine Panne. Generell über den Greyhound Bus. Wie bei uns die Deutsche Bahn? Der Britte erzählt von seiner Ankunft in Australien. Dachte er hat eine gute Entscheidung getroffen und erzählt wie er in einen leeren Ort kam. Nichts als Einöde. Er redet so schnell. So lustig. Wie schaukeln uns hoch. Ich rede immernoch nicht. Aber wir gucken uns gegenseitig in die Augen. Wie kleine Kinder, die übermütig werden, haben wir Spaß. Machen Späße, dass wir uns Koala im Regenwald holen und braten. Wie viele Stunden noch, bis wir uns gegenseitig anknabbern. Ach, hat mir das gefehlt. Dumm quatschen. Oder dumm zuhören. Ein Mechaniker kommt. 3,5h sind vergangen. Er liegt unter dem Bus. Wir machen Witze (also die Anderen. Ich lache nur!), dass das nur eine Show ist und er sich das Öl nur auf die Arme geschmiert hat, damit er seinem Boss erzählen kann, dass er alles versucht hat. Der Kabelbinder kommt zum Einsatz. Das beobachte nur ich. Mein erster Satz nach 3,5h zur Gruppe: cable ties will fix it! und zeige auf den Mechaniker. Dreckslachen. Laut. Das Pärchen hat sich in Perth kennengelernt. Er aus der Nähe in Townsville. Sie aus Cairns. Locals durch und durch. Freundlich. Frei. Lustig. Und der Typ aus der Armee, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Ich hole zwei Äpfel aus dem Bus. Der Army-Typ sieht mich. Ich frage ihn, ob und welchen er will. Boah ey. Ist doch ok. Du kannst einen Apfel haben. Das Pärchen bepisst sich von Weitem, warum er so eine Show macht. Er hat Knast. Er macht die Augen zu und ich solle ihm einen in die Hand drücken. Weil sie auch nicht gleich groß sind. Ich gehe witzig Augen verdrehend zum Pärchen. Alles fühlt sich an wie eine Schulhofpause in der Oberstufe. Aber mit Überlange. Gruppenbildung. Und wir sind die Coolen, die laut sind, rauchen und nur Bullshit labern. Lachen und alles nicht mehr ernst nehmen. Cool Chips essen und uns über andere lustig machen. Aber alles politisch korrekt.
Ein zweiter Greyhound hält neben uns. Das ist der Bus, der um 14 Uhr gestartet ist. Haha. Geil. Er nimmt jetzt nur die mit, die nach Airline Beach müssen. Häh. Sind da jetzt noch Plätze übrig? Redet hier jemand mit uns? Was das für eine Logik. Aber uns ist es egal. Wir drängen uns nicht auf. Wie sind schon durch und auch einfach zu entspannt. Zwei haben sich schon von der Familie abholen lassen. Wir spinne rum und zählen unsere Geldscheine für Bestechung von dem Personal, was die Klos in der Zwischenzeit an der Haltestelle säubert – nehmt uns mit, oder Taktiken, um per Anhalter weiterzukommen. Ich lerne viel über Australien. Sauge auf. Und die Tränen, wenn der Army-Guy wieder raushaut. Auf einmal rollt ein weißer Bus zu uns. Der holt uns jetzt ab? Nach 4,5h. Warum kommt der jetzt erst?! So viele Fragen. Für mich vergingen diese Stunden wie im Flug. Was definitiv die schnellere Variante gewesen wäre. Wir haben uns auch erzählt, dass wir vor der Abfahrt alle dachten, ach 5h reicht der Proviant und jetzt haben wir Knast. Wasser hatten wir genug. Haben geteilt. Wir steigen ein. Die Hälfte des Busses ist frei, denn die anderen sitzen in dem anderen Bus. Das hier ist jetzt ein gewöhnlicher Bus. Kein WLAN. Nichts. Wir sind aber happy, den wir wurden gerettet. 3h Fahrt. Dann eine Pause. Eine kleine Stadt. Ich frage das Pärchen, was sich schon Krabben und Chips reindrückt, in Jack McFarland Gestik, ob das jetzt hier so eine typische australische Kaschemme ist und ich mich glücklich schätzen kann sowas mal zu erleben. Sie lachen. Ich auch. Und ich bin froh, so einen Späti im Nirgendwo kennenzulernen. Filmreif. Authentisch. Sandwiches. Eine Krabbe auf dem Dach. Wasser. Limos. Sonnenbrillen im Angebot und der Ventilator brummt. Und die Fritteuse läuft. Ich bin nicht erschöpft oder genervt. Ich hatte 4,5h eine richtig gute Zeit. Und die will ich nicht missen. Und ich habe keine Anschlussfahrten oder Flüge. Jetzt kommt mir das langsame Reisen und kein Plan haben sehr zu Gute. Das Pärchen ist nach den Feiertagen auf den Weg zu seinen Eltern. Auch entspannt. Es regnet so stark. Pause vorbei. Jetzt noch 3h. Das Pärchen fragt bei dem Fahrer an, ob er auf Grund dieser Kackumstände sie woanders rausgelassen werden könnte. Denn sie müssen noch woanders hin. Und jetzt fährt nichts mehr. Beide Locals. Man versteht sich. Eine Brasilianerin bemerkt das, hörte zu uns sagte dann laut: Das ist hier kein Shuttleservice. Mein neuer Freund, ein typischer Klassenclown, strahlt mich an und ich sage laut: Das werden wir ja noch sehen. Der Busfahrer lässt die zwei irgendwann irgendwo raus. Sie schreit noch: Frau Klamm, alles Gute. C u!, als sie den Bus verlässt. Ich schreie zurück: C u! Thanks for the Laugh!!!! Und wieder lachen wir, weil wir uns nochmal schnell an diese knapp 5 verrückten Stunden erinnern.
Jetzt müssen manche die Fähre kriegen. Der eine Typ machte seiner Freundin eine Ansage: Du nimmst die Koffer aus dem Kofferraum und rennst mir nach, OK? Sie: OK. Aye aye. Jede Minute zählt. Mein Hostel ist 50 Meter von der Bushaltestelle entfernt. Wie gut kann man bitte buchen. Wir steigen aus und es warten schon andere Passagiere. Denn dieser Bus fährt ja eigentlich noch weiter. Und ich sehe den eine hübschen Volleyballer, der auch mit mir die Tagestour in den Regenwald besucht hat. Ich gehe auf ihn zu und mache das Zeichen, dass ich ihn beobachte. Also Zeige- und Mittelfinger auf meinen Augen und auf seine Augen richten. Wisst ihr was ich meine? Wie würdet ihr das beschreiben? Er ist verdutzt. Das kann er nicht verbergen. Ich frage ihn, ob er mich erkennt. Sich erinnert? Nein. Er sagt stattdessen: Du siehst ganz anders aus! Aha, heute mal mit Stirnband? Ich glaube irgendwann hatte er es. Er sagt, dass er den Bus jetzt nehme. Er fotografiert von meinem Handy das Foto ab, was den Mechaniker unter dem Bus zeigt. Alle wollen ihre Kohle wieder. Ich spüre den Wind. Küste. Ich sehe den Yachthafen. Hier ist es ganz anders. Yachten. Fette Autos. Hotels, die nach Geld riechen. Und mein Hostel mittendrin. Von einem Hippie/Mittelschichtsort zu einem ‚Ich will meine Ruhe und schlafe auf meiner Yacht‘-Zielgruppe. Nur über die Straße. Ich frage eine 13 jährige (wirkt nur so!) Französin nach einer Zigarette. Hab einfach Bock. Dazu Sprudelwasser. Noch aus dem Shop. Gut gemacht. Und ich atme ein. Und lache. Lache, weil ich an die letzten Stunden denke. Alle Witze in dieser Zwangspause. Das war eine Show im australischen Comedy Club. Unbezahlbar. Ich will diese Panne nicht missen. Ein gelungener Tag. Ich bin ehrlich. Mich stört das alles nicht. Und so lebt es sich besser. Das verspreche ich euch. Und dann sitzt ein 66jähriger Philipp aus Sydney neben mir. Aus einem höflichen ‚Hello!‘ wurden 2h über Gott und die Welt reden. Was ich alles lerne, wen ich alles kennenlerne, was ich für Humor, Redewendungen, Geschichte, Fun Facts und einfach so unterschiedliche Menschen kennenlerne. Damit habe ich nicht gerechnet, aber es tut mir so gut. Ich falle totmüde ins Bett. Mit 40 anderen in einem runterkühlten Raum direkt über dem Wasser und mit Blick auf den Yachthafen. Mir geht’s gut. Danke für alles. Ich freue mich auf den nächsten Tag.