Ach, mir gefällt das. Aber nachts lag ich dann doch wach. Was wäre, wenn das anders ausgegangen wäre. Das wird jetzt keine Angeber-Story. Ich werde nicht übertreiben. Nur ein bisschen. Gönnt mir das. Ja, ich weiß. Es ist kein Hai, der mich angreift … hab ich mir erklären lassen. Aber bei meinem Dickarsch überlegt der sich das dann doch noch. Monate Ruhe mit Nahrung suchen.

In Townsville angekommen. Alles anders. Hotels. Yachthafen. Immerhin gibt es ein Hostel zwischen den Yachten, wo ich für 30 Euro die Nacht übernachten kann. Jetzt checken, was man hier so machen kann. Eins steht fest. Ich will nochmal zu Nemo. Das tat mir so gut und hat mich beeindruckt. Ich buche. Die KreditkarteN glühen. Australien bringt mich an mein Limit. Auch später noch beim Schnorcheln. So hätte das die BILD auch geschrieben, oder? Noch eine Koala-Tour auf Magnetic Island. Fertig. Ach ja, der Flug noch. Ist genauso teuer wie eine Woche Bus fahren. Ich nehme den Flug und freue mich die Wüste zu sehen. Aber bis dahin noch 4 Tage.

Irgendwie mache ich es mir sehr leicht mit meinen Unterkünften und der Lage. Der Treffpunkt für die Schnorcheltour ist am Yachthafen. Also um 6:15 Uhr nur 10 Minuten laufen. War sogar ein bisschen kühl. In Cairns war es ein größeres Boot und 70 Leute? Heute nur 20 Leute und ein kleines Boot. Alles sehr authentisch. Keine Show. Locals organisieren liebevoll, aber auch 4 x in der Woche. Ich lehne mich zurück. Das ist zur Zeit mein Hobby. Wenn ich immer die Gespräche der Jugend über ihre aktuellen Jobs höre. Bar, Hotelbar. Tresen irgendwo. Animateur. Betten machen. Oh ich genieße meine Arbeitslosigkeit. Aber dafür zahle ich auch einen Preis.

Wir bekommen unsere Ausrüstung und müssen die noch auf dem Festland anprobieren. Außer den Ganzkörperanzug. Wird schon passen. Ich traue diesem Stretch ja nie. Und atmen ist das wichtigste beim schnorcheln und tauchen. Die Crew kennen jeden Handgriff auf dem Effeff. Wir fahren 1,5h raus. Ans Great Barrier Reef. Keiner kotzt. Nur eine Frau liegt mit dem Kopf auf der Reling. Es wird den ganzen Tag nicht besser. Ich flüchte auf diesen kleinen Boot vor einer lauten Person. Boah. Und der Freund ist noch schlimmer. Dann ein Deutscher, der nicht rafft, dass man immer eine Hand am Boot haben sollte. Wie dumm kann man sein. Er ging fast über Bord. Ich zeigte ihm charmant, aber hoffentlich auch abwertend genug, dass es hier einen Handlauf gibt, den er nutzen kann. Sein verwundertes und dankbares Gesicht. Dich soll der Blitz beim Scheißen treffen, echt. Und der gehörte auch zu denen, die bei praller Sonne ohne Kopfbedeckung und T-Shirt den Tag verbrachten. Ich wünsche niemanden etwas schlechtes. Krebs sowieso nicht. Aber mal so ein richtig schönes Sonnenstich am nächsten Tag. Ja, vielleicht …um mal bissl nachzudenken. Ich komme aus dem einschmieren und mich vor der Sonne schützen nicht raus. Die Crew macht auch drauf aufmerksam und stellt auch Sonnencreme zur Verfügung. Es sollen sich tatsächlich Passagiere nach einer Tour beschwert haben Verbrennungen erlitten zu haben. Wartet ab, morgen werden wieder Beschwerden reinkommen. Boah, kaum zu ertragen, wie die Selfies bei 34 Grad oben ohne auf dem offenen Meer machen. Kurz für die Story bei Instagram verstehe ich das. 2.500 DM für 5 Tage Australien im Robinson Club muss man auch zeigen. Die Locals von der Crew sehen so aus wie ich: Hut. Nacken bedeckt durch Kapuze. Nase extra eingecremt. Alle Stunde eine neue Schicht Sonnenschutz. Langarmshirt. Das ist vielleicht ein Job für mich. Ich denke drüber nach.

Es geht los. Einige haben tauchen gebucht. Das will ich auch ausprobieren. Aber nicht in dieser Hektik auf einem Boot mit Anderen. Besonders mit garantiert solchen Idioten. Da wird meine Kreditkarte, wenn sie wieder geht, nochmal herhalten. Privatunterricht. Ich Profi im Schnorcheln bin vorbereitet. Gelernt habe ich die Flossen erst im oder am Wasser anzuziehen. Wird sonst ein Mr. Bean-Sketch. Ich schwimme raus. Da ist es wieder. Sofort. Die Mediation. Ich habe dieses Mal keine Schwimmweste, sondern eine Nudel um. Eine Schwimmnudel. Beim nächsten Mal ohne. Ich fange ja gerade erst an. Und wenn ich manchmal Pause gemacht habe, dann war die Nudeln hilfreich. Ich sehe viel. Und dieses Mal sind wir nicht nur im flachen Gebieten, sonders es geht in die Tiefe. Das Korallenriff unter mir. Ich würde nie darüber schnorcheln, wenn die Gefahr besteht, dass ich die Korallen berühre. Sag das mal den Bratzen aus meiner Gruppe. Die kriegen alles mit einer Karmaschleuder zurück. Brechdurchfall im Hotel. Noch am Frühstücksbuffet. Ja, genau. Nimm das, du ignoranter Mensch. Und dann ist es wie im Film (Disney natürlich!) vor mir die dunkle Tiefe. Fische schwimmen mit mir. Vor mir. Kommen mir sehr nah. Ignoranz in voller Schönheit. Wenn ich daran denke, kommen mir bissl die Tränen. So ein schönes und unbezahlbares Erlebnis. Die Korallen gehen weiter nach unten, aber vor dir das Nichts. Naja vielleicht ist da etwas, aber du siehst es (noch) nicht. Ich sehe auch das Ergebnis des Klimawandels. Das Korallensterben. Zu Kalk verfallene (kann man das so sagen?) Korallen. Es ist so bitter. Ja, ich darf jetzt so leiden. Auch wenn ich davon nichts wusste – noch vor 15 Tagen. Jetzt aber. Ich sehe den Unterschied und es ist ein harter Kontrast.

Und dann dieser blaue Seestern. Wie schön du bist!!!!!! ❤️❤️ Oh, ich konnte mich nicht satt sehen. Minutenlang bliebe ich über diesen Sternen und habe versucht mir alles ganz genau einzuprägen. Diese Farben. Diese Muster. Die Natur. Irgendwelche dicken Würmer im Sand. Nemo am Start. Und dann sehe ich einen fetten JellyFish. Mistviech. Mir versaust du nicht den Australienaufenthalt. Werde immer besser mit den Flossen. Ich will mich mal auf einem Video schnorcheln sehen. Ich denke ich sehe aus wie Arielle und eigentlich sehe ich aus wie die NDR-Robbe aus dem Vorspann in den 80er. Wisst ihr welche ich meine?

Und dann sehe ich links von mir …weit hinten im flachen Wasser einen Hai. Ganz eindeutig. Panik war es nicht. Aber die Größe hat mich doch schon ein bisschen nachdenken lassen.  Ich bin dann einfach in die andere Richtung. Richtung Boot. Ruhig. Ich wollte mich bewusst nicht nochmal umdrehen. Ich habe mir für meinen Verhältnisse viel Zeit gelassen, um ihn mir gut anzugucken. Die Chance hat man nicht oft. Besonders vor seinem Tod in Australien in einem XXL StingerSuit. Da muss man mich im Helikopter definitiv rausschneiden. Ich mache weiter, als ob nichts war. Los, nochmal zu den blauen Sternen. Man vergisst, dass man nicht viel machen muss. Lass dich treiben und guck einfach auf die Korallen. Und dann Auftritt das dämliche Pärchen aus England. Sie schnorchelte am Anfang 20 Minuten mit dem Schnorchel verkehrt herum. Also er neigte sich ins Wasser. Wie dumm du bist. Sie wunderte sich, warum sie so viel Wasser schluckt. Ich machte sie darauf aufmerksam. Wozu hast du einen Partner, wenn der sowas nicht sieht oder checkt, ob bei seiner Begleitung alles ok ist. Manchmal verstehe ich nicht, wie die miteinander leben. Er hat den Hai auch gesehen und es kam Panik auf. Ich versuchte ihm zu sagen, dass alles OK ist. Keine Chance. Strampelnd. Das dümmste, was machen kann, versuchten die beiden zum Boot zu kommen. Mit schwimmen hatte das nichts mehr zu tun. Zusätzlich schrieen sie sich auf den offenen Meer an. Ich halte mich sehr zurück, weil ich ausblenden kann und mich Menschen nicht mehr so triggern. Aber später an Bord habe ich eine fette Ansage gemacht. Dominant charmant. Was ihnen einfälle TrashTv auf offenen Meer aufzuführen und in Panik zu verfallen. Gegen meine Erwartungen haben sie es eingesehen und sich entschuldigt. So ist’s fein.

Ich saß wieder auf dem Boot. 2h schnorcheln und ich war im Great Barrier Reef-Himmel. Eine Packung Kekse. 1 Liter Wasser. In 5 Minuten. Ich muss ja schließlich in den Suite passen. Wie ein erschöpftes Kleinkind nach 3h IKEA-Bällebad in Tempelhof (!!) saß ich da und war so richtig  glücklich. Nochmal! Nochmal! Wann? Die Fahrt zum Festland war wie ein Rausch. Aufs Meer gucken und der Motor rauschte. Alle kaputt. Ruhe. Aber die Krebsliebhaber sonnten sich wieder. Einer hatte schon roten Hitzeausschlag. Morgen hat er vielleicht schon ein teures Menü in einem Restaurant bezahlt und kann es nicht genießen, weil er den Sonnenstich seines Lebens hat. Und dann macht ihn jemand darauf aufmerksam, dass da was komisches auf seiner Nase wächst. Alta, cremt euch ein und schützt euch vor der Sonne.

Ich gehe vom Boot und das ältere (max. 10 Jahre älter als ich!) Pärchen aus Deutschland, was auf der Tour nur geflirtet und sich so liebevoll umeinander gekümmert hat, winkt mir zum Abschied noch zu. War schön sie zu beobachten. Es geht also auch so miteinander.

Diese Erschöpfung und Müdigkeit kenne ich so gar nicht. Mir fallen im Hostel bei allem was ich noch erledige, fast die Augen zu. Um kurz nach 8 Uhr penne ich. Am nächsten Tag entscheide ich in meiner Kapsel zu bleiben und nur zu schlafen. Und die Kühle zu genießen. Hitze heute nicht. Ich schlafe in Etappen. Tief und fest. Denke viel über den Hai nach. Macht was mit mir. Ein bisschen Doku zu unseren Ozeanen. Die Wale. Der Klimawandel. Nicht so einfach für mich. Die Plastik. Die Schildkröten. Muss man es erst live gesehen haben, um wachgerüttelt zu werden? Muss man Nazis ein verpflichtendes Auslandsjahr ermöglichen, damit sie erfahren, wie es ist ein Fremder zu sein und um andere Kulturen kennenzulernen?! Das ist ein Grobkonzept. Aber dafür bin ich in jedem Fall. Erasmus für Nazis. Muss ich einer Umweltsau erst eine tote Schildkröte im Meer zeigen, die von Plastik erdrosselt wurde. Muss ich Manfred ein Praktikum in einem Geflügelhof machen lassen, damit er sieht, was Freilandhaltung wirklich heißt.

Ich verurteile keine Fleischesser. Das ist Blödsinn. Ich verurteile es nicht, sich sein Getränk in einem Plastikbecher bei Starbucks servieren zu lassen. Was kommt woher und wie kann ich recyceln. Darum geht’s. Die Eier aus dem Supermarkt kaufe und esse ich nicht mehr. Aber wenn mir eine Freundin aus Brandenburg Eier vom Hof mitbringt. Lecker. Und mein Obst kann ich auch so in den Einkaufswagen legen – ohne Plastiktüte. Oder wie im Supermarkt in Townsville …aus meinem Handtuch eine Tasche geknotet. Ich kaufe jetzt keine Tüte. Versucht es. Ich habe immer die Schildkröte auf der Filterverpackung für Zigaretten gesehen. Die mahnenden Kampagnen on- und offline. Jetzt habe ich eine Schildkröte an mir vorbeischwimmen sehen. Zweimal. Jetzt hab ich es begriffen.

Nächster Stopp Wüste. 43°.

*Keine Sorge. Der tut nix. Riffhaie. Keine große Gefahr.