Ich bin dankbar, was ich für eine Natur erleben, spüren und sehen darf. Aber ich sauge auch die Begegnungen und Beobachtungen im Hostel auf. Ein Mikrokosmus. Und je heißer, um so entspannter werden alle. Ist halt kalt in Russland.

Wir liegen zu viert im Zimmer. Jeder hutschelt vor sich her. Geht mal raus die Wasserflasche auffüllen, in den Pool springen, Wäsche waschen oder eine Tour ins Outback zu machen. Die Formen und Farben unserer Ausrüstung ähneln sich. Wasserdichte Taschen. Sandalen. Literweise Sonnencreme. Eine hat sogar einen 5l Kanister Sonnencreme dabei. Respekt. Manchmal kommt man ins Gespräch, manchmal nickt man nur ab. Man weiß nie, ob jemand müde ist, Heimweh hat …seine Ruhe will. Es funktioniert alles – mit und ohne Worte. 

  1. Susi*, aus Australien, ist was ganz Besonderes. Grüßt nicht und hat sich eine Burg aus Laken gebaut. Und schleicht ins Zimmer, als ob sie verfolgt wird. Die Britin, mit der ich eine Tour gebucht habe, macht sich im feinsten englischen Humor lustig. Danke, denn manchmal denke ich, dass ich einfach gemein bin. Nö. Susi reist dann auch ab. Penibel vorbereitet. Da hab ich mir aber doch was abgeguckt. Aber ohne sie ist es angenehmer im Zimmer. Denn das Hostel in der Wüste, in Alice Springs, ist eine Jugendherberge. Bissl anders. Keine Vorhänge vor den Betten. Schullandheim. Die 90er Jahre sind zurück.
  2. Manuela & Karin* sind beide aus Deutschland. Uns fällt allen auf, auch den Einheimischen im Informationscenter, das viele Deutsche reisen. Was denkt ihr? Haben wir ein Hang zur Flucht? Zu Reisen? Manuela und Karin haben sich im Zimmer kennengelernt. Beide aus Bayern. Karin hat Oberwasser und das meine ich nicht böse. Sie hat sich in Australien verliebt. Macht Work & Travel und geht voll auf. Sie hüpft über die Hostelanlage, anstatt zu laufen. Sie redet konsequent mit ihrer Zimmergenossin auf English. Das haben mir andere Reisende auch schon bestätigt. Deutsche ziehen das Englisch durch. Auch wenn 35 Leute aus Deutschland im Zimmer schlafen. Ich verbuche das unter ‚Wir wollen üben und besser werden‘.
  3. Rosemarie bekommt einen eigenen Beitrag von mir. Aber dafür brauche ich noch Zeit. Denn diese Begegnung sitzt noch. Viel zu kurz. Eine 80jährige Reisende. Bin ich das in 40 Jahren? Ich hoffe.
  4. Die gutaussehenden jungen Franzosen. 18? 20? 25? Für mich kein Unterschied. Aber das verrate ich denen nicht. Jung, Tätowierungen. Kiffen heimlich. Süß. Nur einer aus der Gruppe grüßt mich immer! Die Anderen sind zu cool. Ach Jungs, einer U40jährigen kann man doch mal Salut sagen. Bzw. grüßt man sich in einem Ferienlager. Alle, habe ich erfahren (Ja, Gossip gibt es auch in Hostels!) sind hier für Work&Travel und in dem Gebiet wo wir gerade sind (Wüste!!!) bekommt man mehr Credits von der Regierung. Denn hier will kaum jemand hin. 43° und irgendwo und irgendwas in der Wüste machen. Das muss sich lohnen. Morgens um 5 Uhr schleichen sie nach ihrem Saufabend zur Arbeit. In typischer Bauarbeiteruniform in Australien. Und kommen dann 16 Uhr dreckig und verschwitzt ins Hostel zurück. Das kommt an einen Cola light Werbeapot ran. Bitte lass die Jungs Ü18 sein, sonst ist das nicht legal, was ich mir hier vorstelle.
  5. Franzi*, Chinesin, arbeitet auch in Australien. Sie war jetzt 4 Monate in einem Kaff in der Wüste in einem Supermarkt. Also wenn sie mit ihren Sprachkenntnissen dort kassiert hat, ist  irgendjemand pleite gegangen. Kunden oder der Supermarkt. Sie sucht bissl Austausch. Ich glaube, dass es ihr zurzeit nicht gut geht. Ich unterhalte mich mit ihr. Sie reist nach 2 Nächten lautlos ab.
  6. Thorsten fährt seit 23 Jahren nach Australien. Das kann man sich nicht ausdenken. Er bekommt definitiv einen eigenen Beitrag. Beim schreiben werde ich viel Spaß haben. Vorab: Danke, Thorsten. Keine Travelagentur hätte mir so viel Input über Australien mitgeben können.
  7. Die Betreiber sind Deutsche. Und das Berlinerisch höre ich sofort raus. Wir sind überall. Großfamilie. Der frischgebackene Vater fliegt alle 3 Monaten über die Grenze, um sein 90Tage Visum zu verlängern. Ich würde ihn nach Schöneberg stecken. Ach, wie zu Hause.
  8. Hans und Franz* sind Deutsche. Ja, wieder Deutsche. Invasion. Inklusive mir. Aber ICH bin Berlinerin. An dem ‚Hi‘ höre ich sofort raus, dass sie Deutsche sind. Wenn ich ‚Hi‘ sage bestimmt auch. Unscheinbar und langweilig für mich. Ich vermute eine Karriere als Referatsleiter Controlling in 7,45 Jahren. Nein, man weiß nie was dahinter steckt. Ich packe nur die Klischees aus. Macht Spaß.
  9. Der Verlorene. Oh je. Ich treffe ihn in der Raucherecke. Seine Augen sind leer. 3 Zähne sehe ich noch. Zitternd. Irgendwas oder irgendjemand hat ihn gebrochen. Das war eine harte Begegnung. Da pulsiert nur noch das Herz. Dieser Mensch lebt nicht mehr. Das vergesse ich so schnell nicht. Er wartet auf eine Lizenz, die ihm an eine Postfach nach Alice Springs geschickt wird. Hier gibt es tausende dieser Postfächer. Man kommt aus dem Outback und holt alle 2 Wochen seine Post. Er verlängert. Lizenz immernoch nicht da. Alles Gute.
  10. Eine junge Frau, die am Daumen nuckelt. Ich versuche das nicht zu bewerten. Aber mir fehlen die Worte.
  11. Der Bodybuilder, der wahrscheinlich Frauen im Robinson-Club mit seinem Work&Travel Visum in Form bringt. Wie ist die Frage. Happy End für beide. Die 30KG Packung Proteinpulver steht vor seinem Bett.
  12. Ein Blender, der zu Allah auf dem Hostelboden betet und sich dann einen Burger brät.

Hostelfreuden sind, wenn man seinen Packwürfel für seine Klamotten jedes Mal erfolgreich zusammenbekommt. Yes. Ein Kampf, der sich lohnt. Man spart Platz. Ich bin definitiv Packwürfel-Team.

Mit Kakerlaken neben mir Zähne putzen. Mit Kakerlaken zwischen den Birkenstocks auf dem Hof im Hostel den Abend beenden. Stört mich nicht mehr. Tadaaaa ….Wenn dir dein frisch gewaschenen Handtuch auf den Boden in der Duschkabine fällt. Ach, geht schon. Mist, Shampoo alle. Ach, dann nehme ich den Rest Seife, der hier noch liegt. Geht schon. Alles Einstellungssache.

Jeder trägt seine Wertsachen im Hostel überall mit sich. Bauchtasche. ZIP-Beutel. Umhängetasche. Reisepass, Kreditkarten und Handy. Das darf nicht wegkommen. Wir wissen Bescheid.

Wenn ich Millionärin bin, dann spendieren ich allen Hostels auf der Welt Haken. Im Zimmer. Im Bad. In den Duschen. Auf dem Klo. Die machen das schon absichtlich so. Denn dann bleibt viel hängen und die Mülltonne ist voll. Trotzdem. Haken machen einem das Leben im Hostel leichter.

*Namen geändert.