Pünktlich stand ich in der Schlange am Bahnhof in Toronto. Endlich 40! Irre. Ein kleiner Rucksack für 4 Wochen. Ihr kennt mich. Trainingshose (Ich trainiere sehr viel auf meinen Reisen!! Ich warne euch!) Aber wo reihe ich mich jetzt als gute Deutsche ein. Oh, ich hab die mittlere Kategorie. Mittlere Schlange. Ich wieder zu pünktlich. Wenig los. Falsch. Alle schon im Zug. Die haben alle schon eine Stunde vorher eingecheckt. Verständlich bei 2 Koffern pro Personm. Ich war 10 Minuten vorher da. Man wird herzlich empfangen, erst da wurde mir bewusst, was ich hier gebucht habe. Nicht nur ein einfaches Zugticket, um von A wie Toronto nach B wie Vancouver zu kommen. Das war eine ‚All Inklusive‘-Reise. Ein kleiner Hocker vor der Tür, um bequem in den Zug zu kommen. Gefällt mir. Ick Sporty Spice durch und durch. Ich bin aufgeregt und freue mich. Einfach unterwegs sein ist für mich ja schon pures Glück. Ich bin total unkoordiniert. Nicht, weil ich verpeilt bin. Irgendwie ist diese Stimmung im Zug eine andere, als ich sie kenne. Irgendetwas ist anders. Ich werde es bald begreifen und hart feiern. Das Zugpersonal freundlich in Uniform. Genau einen Tag, bevor ich die Zugreise angetreten binnen, wurde die Maskenpflicht in Kanada von der Regierung in Zügen aufgehoben. Yes. Das mich sowas mal happy machen würde. #fuckcorona Mir wird mein 4er Sessel gezeigt, der dann für die Nacht zu meinem Bett wird. Einmal war ich dabei, als es fertig gemacht worden ist. Beindruckende Konstruktion. Funktional. Dieser Zug wird nur noch 2 Jahre on Tour sein, dann ab auf den Friedhof. Okay, also könnte Cary Grant noch meinem Bett geschlafen haben. Also als er noch kein Star war?! In Filmen ja! Ich solle drauf achten. Der Via Rail und Hollywood. Ich werde berichten.

Eine Tüte gebranded mit dem Via Rail Logo (hab ich noch!!!) mit Handtuch, Waschzeug und Slippers warten schon auf mich. Es wird mir ein Wasser in die Hand gedrückt und ich werde zum ‚Appell‘ gerufen. Wir sollen uns im treffen. Wer ist wir?? Ich verstehe das alles nicht. Ok, ich lasse mich darauf ein und gehe der Animateurin hinterher. Einer grinsenden Kanadierin im Via Rail-Outfit hinterher. Das ist also der ‚The Dome Car‘. Ein Wagon, wo man unten chillen kann – auch als Gruppe. Und eine Etage drüber sitzt du gemütlich und hast durch das Panoramadach einen irren Ausblick. Das war ja auch der Auslöser in der Doku, die ich zig mal geguckt habe – da will ich sitzen. Okay, aber jetzt wird noch nicht gechillt. Keine Chance. Was passiert hier? Ich sitze neben Menschen mit einem Durchschnittsalter von 70 im Gruppenraum und es gibt Champagner. Die offizielle Begrüßung. Wir sind jetzt eine Gruppe, die sich einen Speisesaal, Toiletten und das Panoramadach teilt und sich jetzt erstmal kennenlernt. Das macht man so. Okay, ich bin dabei. Ich habe eh keine Chance. Es geht los. Wir stoßen mit unserer Robinson Cruise Reiseleiterin an. Die ersten Fragen, die ich schon kenne: Reist du alleine? Einfach so? Aha! Irre. Hab ich nie gemacht – das ist mein Mann. Wir sind seit 50 Jahren verheiratet. Hi, ich bin Frau Klamm, 40, und ich wollte unbedingt mal in diesem Zug mitfahren! Aber warum? Einfach so? Wie, warum? Ich verstehe die Frage nicht. Verwunderung. In der Economy, wo man auch einen Panoramablick bekommt, aber im Sitz schlafen muss wäre eher meine Kategorie gewesen? Hier treffen sich Pärchen, die diese Reise aus folgenden Gründen gebucht haben:

  • Unser Traum nach Renteneintritt. Davon träumt man also. Und spart hart.
  • Ein Sohn hat die Eltern auf diese Reise eingeladen. Noch einmal gemeinsam zusammen sein … Wer hier freiwillig dabei war hab ich bis zum Schluß nicht rausgefunden.
  • Das machen alte Leute aus Kanada so. Das ist die Kreuzfahrt der Kanadier. Herrlich.
  • Eine 60-jährige Tochter ist mit ihrer gebürtigen kanadischen Mutter aus den USA angereist. Besuch in ihrer alten Heimat.
  • Und irgendein irre langweiliges reiches Paar (HighEndLuxusKlasse gebucht!) aus Minnesota, US. Wir wollten irgendwas machen. Boah, das war so anstrengend und langweilig beim Abendessen. Ich werde berichten.

Ein mindestens schon 90jähriger, der immer pupsend im Pyjamas (das musste ich nachschlagen! Noch nie getippt. Warum auch.) durch die Flure gelaufen ist, war mit seiner jüngeren Frau (70!) auch dabei. Er aus Schottland und sehr interessiert an mir. Er fragte mich, ob ich viel reise. Ja, ich möchte gerne die Welt sehen. Er: Ich bin Schotte, lebe aber seit 1945 in Kanada. Ich: Schottland ist ein Paradies. Er: Woher weißt du das? Ihr könnt euch mein Gesicht vorstellen. Er: Ich komme aus E-din-brah. Ich: Ach toll. Tolle Stadt! Diese Verwunderung, dass ich schon durch Schottland gereist bin und sehr viele Städte kenne. Ich nippe an meinem Champagner. Die Frau erinnerte mich an meine Kindheit und die reizenden Tanten und Mütter an meiner Seite. So schnell schüchterst du mich nicht ein. Sie war streng und voller bösen Humor. Schaff ich locker. Wir werden uns noch kennenlernen. Ein Australier, auch alleinreisend und sehr schüchtern. Es funkte sofort zwischen uns. Er gab mir nonverbal zu verstehen, dass er diesen Kennenlernquatsch hier gerade nicht versteht und das nicht möchte. Ich: Denkst du etwas ich? Wir ziehen das jetzt durch! Er wollte auch den Speisesaal nie betreten. War ihm alles zu viel. Ich habe es geschafft mich mit ihm zu verabreden. Zur zweiten Runde am nächsten Morgen. Da war es immer ruhig. Die ersten sind ja schon um 7 Uhr morgens durch den Zug geflitzt. Da lag ich noch schnurpelnd in meiner Koje von Cary Grant. Da ich mir Kategorie ‚Koje mit Vorhang‘ ohne Steuern geleistet habe – hab ich alles mitbekommen, Es trennte mich nur ein Vorhang von allem. Geschlafen habe ich sehr gut Im Zug und andere kruschteln. Mein Himmel.

Warum hast du dich für diese Reise entscheiden? Warum dieser Zug? Hey Leute, beruhigt euch. Was ist so ungewöhnlich daran. Vorne bei der Economy-Klasse sitzen genug junge Leute, wie ich. Die waren nur so dumm und mussten Steuern auf ihre Zugtickets zahlen – da gönnt man sich halt nur Economy und Selbstverpflegung. Sonst säße ich auch dort. Das Leben meint es gut mit mir.

Ja, alle ’schick‘ angezogen. Ordentlich halt. Waren Stunden vorher schon im Zug, um die Koffer auszupacken – ja, in die Schränke, die es in einigen Kabinen gab. Ick in einer Trainingshose, die ich mit Stolz 4 Tage im Zug getragen habe. Dazu mein Hoodie, den ich mir noch schnell in Toronto gekauft habe. Ist echt kalt dort. Berlinerin On Tour. Somit stach ich echt aus der Zielgruppe. Und meine neuen Freunde waren neugierig. Ich dachte ja, dass ich in Ruhe lesen werde, einfach nur aus dem Fenster gucke und die Ruhe genieße. Nicht, wenn du eine junge Deutsche unter Nachkriegskindern bist und dreimal am Tag im Speisesaal einen Platz reserviert hast (Im Ticket inklusive!) und du dich für jedes Essen verabredest hast, ob du wolltest oder nicht. ‚Emily, essen wir heute zusammen?‘, ‚Emily, wir heute Dinner zusammen, ok?‘, ‚Emily, bist du im first oder second call dabei?‘ Man hat immer vom Personal, was immer rumflitzte, eine Reservierung für die Mahlzeiten in die Hand gedrückt bekommen. Und es gab zwei Runden. Und es wurde immer unter uns abgefragt, in welcher Runde man dabei war. Und die unausgesprochene Regel und Ziel war es, dass man mal mit jedem zusammen gegessen hat. Es war alles durchorganisiert. Muss es ja auch. Irre diese Logistik. Man saß nicht verträumt am Fenster und schaute sich die Landschaft an, es gab Dates vor dem Essen, eine offizielle Essenverabredung und ein Treffen danach. Ich habe es geschafft in den 4 Tagen Zug ein paar Seiten in einem Buch zu lesen. Wie ich das geschafft habe? Da hat die Hauptzielgruppe gerade ein Mittagsschlaf gemacht. Mein Bett existierte ja nur von 19 – 10 Uhr morgens.

Und dann schallte es nur durch unseren Bereich des Zugs: Second Call Dinner. Das hieß, dass jetzt Plätze im Speisesaal frei waren. Es gab 24/7 Tee, Kaffe und heißes Wasser. Dazu Obst und Snacks im Aufenthaltsraum. Aber auch dreimal am Tag Essen. Ich dachte ich sah nicht richtig, als ich absolut underdressed in den Speisesaal reinkam. Weiße Tischdecken. Porzellan. Offene Küche. Wie im Film. Tod auf dem Nil. Mord im Orientexpress. Oder besser Natürlicher Tod im Via Rail Canadian – bei dem Durchschnittsalter. Ich war baff. Das habe ich alles nicht erwartet. Speisekarte. Ich hatte jedes Mal. dreimal am Tag ein Auswahl aus drei Gerichten. Nicht euer Ernst? Ich kam nicht zur Ruhe, um das zu begreifen, was ich hier erlebe, weil ich ja Fragen zum Mauerbau und dem Fall der Mauer beantworten musste. Berlin ist nicht Germany. Ja, Corona war auch hart für uns. Nein, das Fußballspiel 1978 Deutschland gegen ???? war ich nicht live dabei! Tut mir leid. Ich bin 40! Nein, diesen Fußballspieler, der 1965 das irre Tor gegen Deutschland geschossen hat, kenne ich nicht. Ein Typ aus Südafrika, der genauso leger wie ich gekleidet war. Der hatte Kohle. Definitiv. Wenig geredet, aber wenn …dann. Nein, Bayern ist nicht Berlin. Ja, glaubt es mir – ich war noch nie auf dem Oktoberfest. Wenn ich die Augen zukniff, dann war es herrlich zu sehen, wie alle zusammen und durchgewürfelt ihre Gesellschaft genossen. Und Highschool is never over, wenn du lautstark von dem hinteren Tisch gebeten wirst dich dazuzusetzen: Emmmiiillllyyyyy, here! Ok, ich komme. Ja, immer noch das gleich Outfit. Die anderen hat Outfit Nr. 5 an. Gespräche und Kanada rauschte an den großzügigen Fenstern vorbei. So schön und einmalig. Der Australier, dem ich am ersten Morgen beim Frühstück gegenüber saß, war sehr schüchtern. Aber ein irren Humor. Ich hab alles, um ihn zum reden zu bringen. Es ist mir gelungen.