Nordkorea, aber auch nur fast

3 Tage Jetleg in Griff bekommen. Schwer. Ich gebe mir noch bis Ende der Woche. Alles durcheinander. Letzte Nacht war es Erschöpfung und der Druck fällt ab. Kommt alles zusammen. Ich gebe mich dem jetzt hin. Solange ich noch aufstehe ist alles ok.

Erste geführte Tour gebucht: Demilitarisierte Zone (DMZ). Ich habe nichts erwartet und so viel bekommen. Vorher gab es schon die Info, dass sich Zeiten bei der Abfahrt und sonst auch spontan ändern kann. Diese Zone wird vom Militär organisiert und daher sind wir angewiesen. Und das passiert auch. Anstatt 7 Uhr Treff …müssen wir schon um 6:15 Uhr da sein. Kein Problem. 1h geschlafen. Jetleg-Zombie. Hatte es nur 5 Minuten zum Treffpunkt. Ich wohne sehr zentral. Straßen sind leer, aber die Busse stehen schon. Butterfahrt-Style. Wir lassen uns drauf ein. Ich musste auf dieser Tour mindestens 20 x sagen, dass ich es bin und mich an- und abmelden. Keiner verlässt die Gruppe. Dafür habe ich Verständnis. Spielen wir Ferienlager am Grenzstreifen.

Vor mir im Bus zwei Brittinnnen. Jung, laut und aufgekratzt. Nervt. Aber hey, ich war auch mal die junge laute im Bus und habe genervt. Das weiß ich aber ganz genau. Daher schmunzel ich. Alles dabei. Nationen und Alter. 1h Fahrt zur ersten Station. Sightseeing durch Seoul. Groß und hoch. Alles.

Als der Motor startet geht auch schon der Vortrag von unserem Guide Henry (Ich habe mich dagegen entschieden ‚Führer‘ zu schreiben!) los. Geschichte von Korea. Die Beziehung zu Nordkorea. Ansichten der alten und neuen Generation zu einer möglichen Wiedervereinigung …viel Input. Konzentration ist angesagt, um ihn zu verstehen. Er hat in Europa studiert und gelebt, aber sein Akzent ist sehr gewöhnungsbedürftig. Einfach nicht verkrampfen. Klappt.

  1. Station: Imjingak

Ein Freizeitpark, aber auch eine Gedenkstätte an der Grenze zu Nordkorea ist. Also vor der DMZ! Die ist zwischen den beiden Ländern.

Henry hat es schön erzählt. Die ältere Generation kommt hier her, um zu weinen und zu trauern. Die junge Generation kommt hier her, um zu lachen und zu feiern. Es gibt einen Vergnügungspark und viele Imbisse. Ja, wie ein Rummel. Komisch, ist aber so. Hier steht man direkt an den Gleisen, wo die Züge Richtung Norden gefahren sind. Auch der letzte Zug ist ausgestellt. Die Friedensbrücke, wo Gefangene, noch in der ‚Wir reden und verhandeln miteinander‘- Phase, ausgetauscht worden sind. Fotografieren ist verboten, aber Henry sagte leise: ‚Tun Sie es einfach!‘ OK, Henry. Wenn ich verhaftet werde schreie ich aber ganz laut deinen Namen. Das Henry nicht Henry heißt, ahnen wir alle und das klärt er auch zum Schluss auf.

An den Zäunen hängen bunte Bändchen, wo Familien Grüße an ihre Familie und Freunde in Nordkorea schreiben und man sagt, dass der Wind die Botschaften zu den Liebsten bläst. So geht Hoffnung.

Ein kleine Holzbaracke verkauft alte und neue Geldscheine aus Nordkorea. Viele kaufen. Ich frage einen aus meiner Gruppe, ob ich mal gucken kann. Reicht mir.

Ihr könnt euch das wie ein Tourihotspot vorstellen, weil es einer ist. Ganz klare Sache. Aber das macht nichts. Wir sind vor 9 Uhr da. Aber um 9 Uhr geht hier erst alles los. Es wird geputzt. Die Imbisse machen auf. Es duftet nach Kaffee. Bei der Achterbahn wird nochmal die eine oder andere Schraube nachgezogen. Die Gondel Richtung Nordkorea, die es einem ermöglicht noch näher an Nordkorea ranzukommen, kommt in Fahrt. Alles inklusive. Also drückt mir Henry eine Karte und ein Wunsch-Bändchen in die Hand. Hinter mir in der Schlange eine ältere Frau, die offensichtlich auch alleine unterwegs ist. Sie ist definitiv Deutsche. Ich bemerke, dass sie verunsichert ist. Ich spreche sie direkt an: ‚Was los?‘  Sie guckt erschrocken und antwort dann aber zügig: ‚Machen das jetzt alle mit der Gondel?‘ Ich: ‚Keine Ahnung. Bei mir gehört es zur Tour. Ich nehme alles mit.‘ Sie lacht. Sie ist ca. 60 und vom Bodensee, ich duze sie. Se ist Flugbegleiterin und hat ihren Aufenthalt hier in Korea einfach verlängert. Wir haben nie unsere Namen ausgetauscht. Aber wir gondeln zusammen. Lernen uns ein bisschen kennen. Sie findet die Tour zu getaktet. Ich sage, dass ich es genieße hinterherzulaufen. Nicht denken zu müssen und alles vorgesetzt zu bekommen. Die Gondeln bringen einen an eine weitere Aussichtsplattform, wie sich das an einem Touriort auch gehört, wo man auf Nordkorea gaffen kann. Ferngläser gibt es gegen Cash oder Card. Wir haben die Möglichkeit einen Wunsch oder eine Botschaft auf unsere Bändchen zu schreiben und auch an den Zaun zu knoten. Stifte und Tische stehen dafür bereit. Alles organisiert. Ich erinnere mich noch, was ich auf meinen Zettel an der Klagemauer geschrieben habe. Jetzt schicke ich Liebe nach Nordkorea. Die brauchen aber andere Dinge … vertiefen wir das nicht. Wir wissen alle, was da abgeht.

Und zurück in die Gondel. Treffpunkt im Bus. Next Please. Wir haben keine Zeit. Mich stören diese Ansagen gar nicht. Ich sauge auf und gebe mich dieser Gruppendynamik hin. Rest der Gruppe hat sich bei den Imbissen mit Kaffee und koreanischen Köstlichkeiten eingedeckt. Keine*r hat sich Essen und Trinken mitgebracht?!? Ich natürlich alles dabei. Wasser, Tee und Snacks. Bin ich zu deutsch oder einfach nur sparsam?

2. Station: Einreise in die DMZ – Demilitarisierte Zone auf der südkoreanischen Seite.

Dafür müssen wir offiziell einreisen. Wie ein Grenzübergang. Henry brieft uns sehr ausführlich: ‚KEINE Fotos! Lächeln! Pass vorzeigen. Gleich kommt jemand in den Bus und geht die Liste und dann Reihe für Reihe durch. Und bitte zeigt mit eurem Finger auf euren Namen im Pass.‘

Wir folgen den Anweisungen. Militär im Bus. man spürt den Respekt. Die lauten Mädels vor mir auf einmal so ruhig. Ach was!!

Mit einer Liste und voll vermummt gehen die Soldaten durch die Reihen und gleichen die Pässe mit der Liste ab. Neben uns andere Touribusse, aber auch LKWs mit Material (?) …auch einer aus Deutschland! OK?! Waffenlieferung können wir?!

Geschafft. Fotografieren immernoch nicht erlaubt. Überall sehen wir ‚Achtung Mienen!‘- Hinweisschilder. Jetzt sind wir angekommen: Dora Observatory.

Henry führt uns in einen Vorführungsraum, wo die Leinwand eine riesige Glasfront mit Blick auf die DMZ ist, mit einer sehr guten Sicht auf Nordkorea. Heute ist das Wetter sehr gut, sagt Henry. Sogar er macht heute ein Foto. Und er macht diese Tour seit Jahren. Freie Sicht auf die böse Seite. Alles bisschen unwirklich und tragisch. Er zeigt uns die Sendemasten beider Seiten. Also Südkorea einen aufgestellt hat, legte Nordkorea nach …aber er war höher. Und das ging dann mehrmals hin und her. Wer hat den Größten?! Herrje. Südkorea hat nachgegeben. Und seit die Müll/Scheiße-Ballons von Nordkorea bei ‚uns‘ landen, erzählt Henry …lässt Südkorea durch einen Lautsprecher, von einer berühmten K-POP-Musikgruppe eingesungen, Songs abspielen. Inhalt der Songs: Schickt uns keine Müllballons! Ich kann es kaum glauben. Ich hab recherchiert.

Natürlich gibt es hier auch Cafés und Essen ohne Ende. Ich beobachte Leute aus meiner Gruppe, die sich Bubbletea und Kuchen gönnen. Dazu Selfies durch die Scheibe mit Nordkorea als Hintergrund. Und noch ein Video. Ach, der Kuchen schmeckt. Ich finde das alles skurril, aber auch sehr menschlich.

Es gibt ein Fake-Dorf auf nordkoreanischer Seite, wo niemand wohnt. Nur zu Propagandazwecken. Aber warum? Hab nicht nachgefragt. Und durch die gute Sicht können wir zur drittgrößten Stadt Nordkoreas blicken: Kaesong. Und man sieht die Joint Security Area. Dort konnte man bis vor wenigen Monaten auch Touren buchen und ganz offiziell auf auf nordkoreanischen Boden treten. Wir erinnern uns, da wo Kim und Trump sich getroffen haben. Nach einem Vorfall mit einem US-Soldat, der nach einer Auseinandersetzung/einem Vorfall auf die nordkoreanische Seite ‚geflohen‘ ist, wurden diese Touren bis auf Weiteres abgesagt. Ob du dumm bist habe ich gefragt! Henry hat es auch so kommentiert. O-Ton: ‚Have Fun my friend!‘ Aber hätte ich diese Tour überhaupt gebucht? Mir reicht dieser Blick aus sicherer Entfernung.

3. Station: Third Tunnel of Aggression

Ich bin jetzt schon gesättigt. Alles so unwirklich. Die Flugbegleiterin und ich fragen uns immer gegenseitig, ob wir ein Foto wollen. Da ticken wir gleich und winken ab. Haha. Ich brauche kein Foto mit einem Peace-Zeichen mit Nordkorea im Hintergrund. Nein, danke.

Es gibt vier entdeckte Angriffstunnel. Es können mehr sein. Sie wurden von den Nordkoreanern gegraben, um zu dem Feind zu kommen, um die Weltherrschaft an sich zu reißen?! Pinky wäre stolz.

Der dritte Tunnel der Aggression befindet sich mehr als 70 Meter unter der Erde und ist 265 Meter lang. Wir müssen alle Sachen abgeben. Ich stopfe meinen Reisepass und meine Kreditkarten in meinen BH. Brauche ich vielleicht in Nordkorea. Gibt es da noch eine DDR-Botschaft?! Das Smartphone lasse ich im Spind. No Risk, No Fun. Wir müssen durch einen Securitygate. Jetzt noch einen Bauhelm. Frisch desinfiziert. Ich bin groß, wissen wir alle. Erstmal minutenlang runterlaufen. Uns kommen viele Besucher* innen entgegen. Henry amüsiert sich und erzählt, dass alle schnatternd runtergehen und wenn es wieder nach oben geht, keine*r mehr redet. Die Luft wird dünner, es ist klamm und anstrengend. Recht hat er. Wir witzeln und haben, zugegeben, Spaß. Ist es eine Übersprunghandlung?! Die Flugbegleiterin vor mir. Wir passen zusammen. Runter runter runter ….wann sind wir endlich da?!?! Gleich! Und dann geduckt den Tunnel zur Grenze. Ich komme mehrmals mit meinem Kopf gegen die Decke. Der Helm rettet mich vor Platzwunden. Is dit niedrig. Andere laufen kerzengerade durch. Schönen Dank auch. Und dann stehen wir da. Wie an einem Instagram-HotSpot. Das Ende des Tunnels. Oder auch der Anfang, für die Nordkoreaner …man kann dann durch einen Spalt auf die ‚andere‘ Seite gucken. Tach Kim! Alles nicht witzig. Und zurück. Und wir schwitzen und schweigen. Henry hatte Recht. Uff. Vor mir ein Britte, der sich auf die bereitgestellten Bänke bergauf setzt und schnauft. Ich habe immer genügend Energie, um zu kommentieren. Ihr kennt mich. ‚Are You dying?‘. Er hat Humor. Mit Britten kannst du das machen. Weiter geht’s. Ich gehe teilweise rückwärts. Gleich als Dehnung nutzen. Gute Idee, denke sich die anderen und machen es mir nach. Geschafft. Ich frage, ob meine neue Freundin, ob sie ein Foto mit einem Helm vom Feind haben will. Ja, das gehört auch zur Tour. Nein, danke.

Wir sind alle fix und fertig. Es drückt und man ist voll von Infos zur Geschichte und den Schicksalen.

Aber das war es noch nicht. Auf durch die DMZ, wo ja auch Menschen (Zivilisten) wohnen, die nicht beim Militär angestellt sind. Gärtner, Bauarbeiter, Lehrer …die Vorteile dort zu wohnen? Keine Steuern, Sicherheit und gutes Gehalt. Möchte man das? Es gibt keine Zäune. Alles sicher. Aber es gibt ein Gesetz für die Bewohner. Wenn sie nicht zu Hause sind, müssen sie die nordkoreanische Flagge, die vor jedem Haus gehisst ist, nicht auf Halbmast setzen, aber ’niederholen‘ (musste ich googeln!). Damit weiß das Militär, dass Zivilisten unterwegs sind.

Zum Abschluss noch eine kleine Wanderung zu einer Hängebrücke. Dieser Ausflug dient für mich dazu, ein bisschen runterzukommen. Schön. Feini. Natur. Brücke. Wald. Landschaft. Foto hier? Klar.

1,5h zurück nach Seoul. Ich penne im Bus ein. Mir fehlt Schlaf. Definitiv. Henry klärt auf, dass sich die Tourguides internationale Namen (?) geben, damit die Touristen sich den Namen merken können. Und ich gebe zu, dass ich mir seinen echten Namen nicht eine Minute gemerkt habe. Warum hat er sich nicht Bob genannt? Wir haben den ganzen Tag auch Namensschilder mit ‚Henry‘ getragen. Den ganzen Tag lang habe ich andere Gruppen gesehen …die hießen alle (!!!) Lisa, Robert, Tom. Also alle machen das so. Ich war 7h Henry und es war mir ein Freude.

Die Flugbegleiterin und ich suchten uns gleichzeitig hektisch im Gewusel beim Ausstieg aus dem Bus. Ein herzlicher Händedruck. War schön mit dir. Alles Gute!!!

Knast. Alle anderen hatten sich ja vor Ort vollgestopft. Ich hatte nur  einen Snack mit: Onigiri vom Späti für 75 Cent. Ab ins Restaurant. Die Kellnerin gab mir zu verstehen, dass sie mich erkannt hat. Ich saß gestern am Tisch neben mir. Stimmt. Wir freuen uns. Ich bin nochmal da rein, weil ich Bock auf diesen kalten Nudelkrautsalat hatte. Was leichtes. Dazu Wasser – gibt es immer dazu. Zwei junge Soldaten nahmen am Tisch nehmen mir Platz. Militärdienst ist Pflicht. Vor dem Restaurant ist ein Instagram-HotSpot. Man hat einen tollen Blick auf den Fernsehturm mit den Wandmalereien. Ich esse und die anderen draußen posen. Andersrum keine Chance.

Ab in die Koje. Müde. Ja, es stimmt. Ich war doch noch auf der Dachterrasse für einen Absacker mit Tee. Runterkommen.

10.10.2024 // Seoul // DMZ Tour

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4 Kommentare

  1. Aussicht auf Nordkorea, beeindruckend geschildert. Irgendwie muss ich dabei an die Zeit in der Leipziger Straße denken, hat aber rein gar nüscht damit zu tun. Sehr spannend….
    Zum Thema „zu deutsch“ : ich würde dich ehr Pfandfinder, Scout oder neu deutsch Preper nennen, zu mindestens auf Reisen . Weil du wenigstens 24h ohne Hilfe überleben könntest 😁✌️😊😇 ohne Kiosk oder Restaurant

  2. Dann kann man nicht nach Nordkorea und zurück (wie zu DDR Zeiten) und die Nordkorea auch nicht…. ich überlege gerade, ob das ein Einzelfall ist auf der Erde. Ich weiß, dass es viele Familien gibt, die getrennt sind, wurden. Also keine Familienzusammenführungen. Made in Korea.

    • Es gab mal sowas wie ein Familientreffen für wenige Stunden in Räumlichkeiten in der DMZ . Zum Beispiel Geschwister die sich nach der Trennung beider Staaten 50 Jahre nicht gesehen hatten. Wirklich herzzerreißende Szenen.

  3. Danke für den Pinky-Verweis! <3

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