Ich kann das nicht Hostelleben nennen, obwohl ich in einer Baracke mit 20 anderen Frauen schlafe, lebe und chille. Baracke ist komisch zu schreiben. Ich habe sofort eine negative Beziehung dazu. Aber ich habe nachgeschlagen. Es ist korrekt. Also nenne ich das so. Ich wohne im Outback Hostel. Wir gehören zu denen, die weniger für das Wohnen ausgeben. Es gibt auf unserer Anlage noch Einzelzimmer und kleine Appartments. Aber auch simple eingerichtet. Küche, Restaurant mit Anstehen und Bäder müssen wir uns teilen. Die Luxushotels sind weiter weg. Die sollen uns ja auch nicht bei unserem trostlosen Leben zugucken?! Immerhin hält der Resort-Shuttle alle 20 Minuten auch bei uns. Wir sind dankbar.

Es ist wie ein kleines Dorf. Künstlich angelegt in den 70ern. Nur auf Tourismus ausgelegt. Wild campen verboten. Alles ist unter Kontrolle. Bei der Hitze und den Gefahren sowieso. Massentourismus . Und ich bin Eine davon. Gute Sache, aber auch sehr befremdlich. Das Resort heißt auch nicht Uluru -Resort, sondern Ayers Rock-Resort, der alte und von den weißen festgelegte Name. Ist es zu aufwendig, das ganze Marketing darauf neu abzustimmen? Yulara, nur wenige Kilometer vom Uluru und Kata Tjuṯa. Viele bleiben wenige Nächte. Check. Uluru. Check. Sonnenaufgang. Check. Sonnenuntergang. Ich wusste nicht, was ich will und hab mal 7 Nächte gebucht. Man gönnt sich ja nicht jeden Tag Cluburlaub im heiligen Land. Die Anlage ist Horror für mich. Pool. Leitsystem. Restaurants. TV Screens. Shops. Programm. Uff. Aber ich komme schnell runter und lasse zu. Und wieder jede Menge Humankapital am Start. Schlag auf Schlag.

  1. Die Amerikanerin, die ihr Ding durchzieht und auch länger bleibt. Wenn man Zeit hat, dann doch einfach mal bleiben. Why Not?! Ja, genau. Geht mir auch so. Ich mache ihr Komplimente für ihre Outfits. 2 Koffer. Da geht dann auch was. Ich frage sie aus, was man hier so machen kann. Wir treffen uns öfter. Geht ja auch nicht anders. Dann sitzen wir zusammen im Bus zum Sonnenuntergang. Und nach einer kurzen Pause fragte sie direkt, wie alt ich bin. Sie soll raten. 30. Süß. Und das erstaunte Gesicht, als ich 42 sage. Sie knabbert auch an den Fingernägeln. Sehr sympathisch. 5 Minuten Selbsthilfegruppe zu diesem Thema. Danke. Sie reist ab und es fehlen zwei Rollen an einem Koffer. Mich wundert warum sie nicht bei amazon.de eingekauft hat. Ins Outback wird nicht geliefert. Stimmt. Das kann sein. Ich schlage ihr eine Lösung vor. Klappt. Mach’s gut. War schön.
  2. Der Kiffer. Völlig druff. Viele rauchen hier. Illegal. Aber irgendwie auch nicht. Ich glaube Australien freut sich, wenn Menschen im Land bleiben. Lechzen nach Personal. Ohne das Work & Travel-Visa der Regierung würde das hier im ganzen Land ganz anders laufen. Er spricht gebrochenes English. Aus Taiwan. Reicht. Er fragt viel. Ich höre auch mehr zu als zu reden. Sauge die Jugend auf. Die Suche nach der Zukunft. Was will ich. Der Druck. Die Fragen. Die Entscheidungen. Er fragt mich nach meinem Motto. Ich sage: Ich habe den Plan keinen Plan zu haben. Er schreibt sich diesen Satz mit meinem Namen in sein Tagebuch. Der NotizenApp im Smartphone. Und ein Selfie gibt es auch noch. Typisch für Japaner, Koreaner und auch Taiwaner anscheinend. Kenn ich schon. Ich mache mit. Er hat Heimweh. Er wird zurückfliegen. Schön, dass er das so sagen kann. Er wundert sich aber auch bissl, dass ich das nicht habe. Ich sage ihm, dass jeder anders tickt und alles sich auch noch ändern kann.
  3. Der junge Typ aus Seoul. Er freut sich, dass er jemanden trifft, der schon in Korea war. Wir stehen in einer Gruppe (Japaner, der Kiffer und ich) und ich  erkläre meine Eindrücke aus Korea und er lacht und bestätigt. Es gibt drei Dinge, die ein Koreaner immer in der Hand hat: Kaffeebecher, Regenschirm und das Smartphone. Er bestätigt und lacht laut. Nordkorea. Zustände mit den unbezahlbaren Wohnungen und Platzmangel in Seoul. Er ist gerade in der Phase, wo er überlegt, wie man richtig reist. Das kenne ich. Er fragt, wie ich das sehe. Ich empfehle ihm, sein Ding durchzuziehen. Es gibt kein richtiges oder falsches Reisen. Und er bestätigt mir auch diese Social Media-Bubble, die einen kirre machen kann. Also geht es den jüngeren auch so. Druck. Druck. Wir winken uns noch mehrmals auf dem Gelände zu, wenn wir uns sehen. Japaner, und Koreaner gestikulieren immer mit zwei Armen und Händen. Winken auch. Witzig. Ich kann an solchen Verhaltensweisen schon Nationen erkennen. Wie bei der nächsten Begegnung.
  4. Die 60jährige Japanerin. Muniskusriss. Wollte eigentlich mit ihren Freundinnen in Australien Tennis spielen. Jetzt reißt sie rum. Sie hat das Bett unter mir. Ich sage ja prinzipiell allen Hallo. Das ziehe ich durch. Sie ist so gut drauf. Sie ist neugierig. Besonders, wenn man selbst schon in Japan war. Sie fragt, wo ich schon überall war. Erstaunen. Und sie umarmt mich fast (!!!!), als ich ihr erzähle, dass ich alleine reise und mein Job gekündigt habe. Pure Entzückung. So süß. Sie lacht mit zwei (!!) Händen vor dem Mund. Typisch. Ich frage, was sie so in der Heimat macht. Sie ist Hausfrau und macht nichts, sagt sie. Ich sage: Hausfrau sein ist ein Job. Und harte Arbeit. Sie lacht laut. Was ist hier los? Gefühle. Sie dankt. Ihr Kinder sind jetzt raus. Sie reist jetzt. Sie beglückwünscht mich noch zu meinem Leben. Lucky Luck Lucky Woman. Ja, da hat sie Recht. Und noch ein Selfie zum Abschluss. Na klar, ich weiß Bescheid.
  5. Ich lausche einem Gespräch von Neuankömmlingen im 20Bettzimmer. Sie sind nur 2 Tage im Resort. Der Plan war es den Uluru zu sehen. Ja, man sieht ihm vom Resort aus. Sinn des Resorts. Aber alle Shuttlebusse direkt dorthin, um zu wandern, sind ausverkauft. Shit. Bitter. Tut mir richtig leid. Da bist du diesen langen Weg hierher gereist. Ich erfahre einen Abend später, dass sie sich einen Helikopterflug über den Rock gegönnt haben. Und sagen ganz selbstbewusst: Man lebt nur einmal. Naja Püppy, du hattest nur noch diese Wahl.
  6. Ranger und Aborininal arbeiten und leben teilweise auch zusammen im Nationalpark. Eine enge Zusammenarbeit, um in Verbindung zu bleiben und sich nicht auseinander zu leben. Um die Kultur der Aborininal zugänglich zu machen. Ein riesen Konzept steckt dahinter. Es fällt auf, dass da viel Geld und Personal reingebuttert wird. Das ganze Konzept sprengt jetzt hier den Rahmen. Ich lese mich noch ein und lerne noch. Ich hatte Touren bei Rangern und auch eine Präsentation von Aborininals, die im Kulturzentrum ihr Leben und Alltag mit uns geteilt haben. An den Touriplätzen, wo mit Reisebussen der Sonnenauf- und untergang besucht wird, sitzen die Aborininal und verkaufen ihre Kunst. Davon leben sie. Und von dem Grundeinkommen, der auf einer Chipkarte hinterlegt wird, womit sie Stromrechnungen und den Einkauf zahlen können. Ärztliche Versorgung und andere Serviceleistungen werden auch von der Regierung gestellt. Arbeiten müssen sie nicht. Fotografieren verboten. Auch an bestimmten Teilen des Ulurus und im Kulturzentrum. Die Ranger leben im Resort und sind von der Regierung angestellt. Eines Abends gab es ein Treffen der Community (So nennen sich die Gemeinschaften der Aborininals) und Rangers. Eine hat mich vom Kulturzentrum wiedererkannt. Es ist trotzdem für mich schwer die Balance zwischen Kommerz, Aufklärung und Zusammenleben zu erkennen und zu akzeptieren.
  7. Meine schönste Begegnung hier. Oder besser im Kulturzentrum bei 44°. Nach 2h Wanderung inkl. Führung von Rangern über das Leben und die Kultur der Aborininal sitze ich im Shuttlebus. Ich entscheide, dass ich jetzt noch das Kulturzentrum angucke. Café. Essen. Ziel. Danach Weiterbildung. Überleben ist immernoch das höchste Ziel hier. Neben mir im Bus eine blonde attraktive junge Frau aus den Niederlanden. Wir lächeln uns an. Sind eh alle freundlich und offen. Wer bei dieser Hitze ein Arschloch ist, der ist wirklich ein Arschloch und hat nicht nur einen schlechten Tag. Wir steigen beide aus. Und bei solchen Begegnungen ist es faszinierend, dass man sofort einsteigt und nicht mit einer offiziellen Begrüßung startet. Ich erzähle ihr, dass ich Nahrung brauche und sie, dass sie nur einen Tag hat und dann eine OutbackCamping-Tour gebucht hat. Jeder biegt anders ab. Ich sitze nicht im Café. Dafür ist der Ausblick auf dem Uluru zu faszinierend. Also Avocado-Toast, Bananabread und einen englischen Tee in praller Sonne. Die Weißen haben doch etwas gutes hier eingeführt. Schatten oder nicht. Macht keinen Unterschied.  Bauarbeiten auf einem Dach. Bei 44° wird das Dach neu gedeckt. Respekt Jungs. Man bewegt sich sehr langsam und man begrüßt mich. Zwei Ausblicke. Arbeitende Männer und der Rock. Ich bekomme wieder Energie. Die Niederländerin kommt an mir vorbei und macht mich auf eine Präsentation von Aborininals aufmerksam. Geht gleich los. Ich zögere und erkläre mich. Lieber hier noch chillen. OK, dann sehen wir uns später. 3 Sekunden später überlege ich es mir anders. Was willst du hier noch sitzen. In 2h kommt der nächste Shuttlebus, also los. Ich laufe ihr nach. Ich bin die Letzte, aber nicht zu spät. Neben den zwei Frauen sitzt ein Ranger auf dem Boden. Uns wird Werkzeug gezeigt. Berichtet, wie man Nahrung sucht, wie man aus den Früchten und Samen Essen und Medizin herstellt. Die Ranger sprechen die Sprache der Aborininal aus dieser Region und sind über eine lange Zeit mit den Communities verbunden. Werden oft eingeladen. Geschichten, die in Zeremonien den Ranger erzählt werden, dürfen nicht weitererzählt werden. Fotos und Videos sind sowieso tabu. Aber die ganzen Themen, wie Diabeteserkrankungen in den Communities, weil die Weißen 30 Jahre zuvor die Aborininals mit Zucker bezahlt haben, Dingos zu fangen. Die Felle und das Fleisch waren dann für den Verkauf nach Europa. Kennen wir, das Dilemma. Ja, Aborininala haben auch Smartphones und Autos. Aber darum geht es heute nicht. Schade. Ich bedanke mich bei der Niederländerin, dass sie mir den Tipp gegeben hat. Ich lade sie auf einen heißen Tee ein. Und los geht’s. Ein junges Leben. So weise. So reflektiert. Frische Allgemeinärztin. Mit 26 hab ich angefangen zu studieren. Parallelen haben wir stark bei unseren Müttern. Sie fragt nach Tipps. Bekommt sie. Ich sage ihr, dass sie sehr stolz auf sich sein kann, was sie bisher geschafft hat und wie ihre Sicht auf sich und das Leben ist. Und deine Mutter liebt dich und ist auch stolz auf dich, auch wenn sie nicht über Gefühle reden kann. Sei dir sicher. Du wirst geliebt. Aber zieh dein Ding durch. Du musst auf niemanden aufpassen. Das ist nicht dein Job. Wir müssen los. Verquatschen uns fast. Wir gehen zum Treffpunkt, wo der Bus uns abholt. Ich sage nach 5 Sekunden, dass das nicht stimmen kann. Aber wir bleiben. Wir reden und reden. Und dann wird uns klar, dass wir definitiv falsch stehen.  Wir sehen 100 Meter weiter weg unseren Bus und brüllen. Was bei der Hitze so möglich ist. Das ist der letzte Bus. Scheiße. Wir rennen. Bei fucking 44°. Nicht lustig. Die Busfahrerin fragt immer ab, wann man wieder zurück will. Die kennen das schon und es wird immer gecheckt, ob alle noch leben. Gut so. Das geht hier schnell. Man steigt aus dem Bus, macht eine Wanderung und verreckt neben dem Uluru. Es gibt Namenslisten. Ich bin dankbar für diese Organisation. Sie hat gewartet und sich schon gewundert und fragte führsorglich, ob ich frisches Wasser brauche. Ja, bitte. Erschöpft. Sprint in der Wüste. Ob fit oder nicht. Das ist Höchstleistung. Wir sitzen. Kurz vorm Resort gucken die Niederländerin und ich uns gleichzeitig an und wir denken das gleiche. Ja, lass uns hier aussteigen und schnell im Resortsupermarkt einkaufen. Und dann haben wir 20 Minuten, um den nächsten Shuttle zu unseren Baracken zu bekommen. Deal. Und danach der Didgeridoo Workshop. Das war keine Frage, sie nimmt mich einfach mit. Na gut. Ich ziehe mit. Wir kaufen ein. Klappt alles wunderbar. Und eine gute Idee. Sachen abladen und dann pünktlich beim Workshop. Dieser Typ macht das 2 x am Tag und rattert seine Texte runter. HORROR für mich. Wir klatschen im Takt und er spielt das Ding. Ich verdrehe heimlich die Augen zu meiner neuen Freundin. Zwischendurch twerken wir und haben Spaß. Nur wegen ihr, hab ich das durchgezogen. Sie verabschiedet sich …Pool. OK, ich muss kurz liegen… Mutti ist müde. Ich habe an diesem Tag volles Programm. Gucke mir noch im Nationalpark den Sonnenuntergang an. Mein Tag fing um 3 Uhr an. Ich gehe vorher noch zum Pool und verabschiede mich von ihr, bevor mein Bus fährt. Ist mir wichtig. Herzlich. Tolle Zeit. Insgesamt 2h miteinander verbracht. Aufrichtig. Austausch. Gibt mir viel. Werde ich nicht vergessen. Unsere Namen kennen wir nicht.
  8. Petra, die auf jeden Fall so heißen könnte. Sie telefoniert laut und erzählt einem Freund, dass sie in ihrer linken Körperhälfte ein magisches Gefühl hatte als sie vor dem Uluru stand. Sie liegt direkt neben mir. Ich frage mich, ob sie die 10 Japaner und 23 Instagram-Influenzer dabei nicht gestört haben. Ich gönne ihr das spirituelle Erlebnis. Sie erzählt stolz, dass sie sich Sand vom Uluru mitgenommen hat. Strikt verboten. Wie unsympathisch. Bis heute kommen Pakete und Briefumschläge an, die Touristen zurückschicken. Hat sie wohl das Pech verfolgt. Das schwerste Paket soll 23KG gewogen haben. Man nennt diese Post, die ‚Sorry‘-Briefe.

Genereller Mood im Resort. Erschöpfung. Nach einer Tour ab 3 Uhr morgens ist man so müde von der Hitze, dass alle in die Betten kriechen uns sofort wegpennen. Ich auch. Und ich sehe das die 7 Tage in meiner Baracke. Alle schlafen noch in der Position ein, wie sie sich hingelegt haben. Schlafen in Etappen. Zwischendurch versuchen zu essen und Wasser an der Bar holen. Dort gibt es gekühltes Frischwasser. Man zapft sich sein Überleben. Alle Stunde. Und dann geht’s um 20 Uhr ins Bett. Denn die nächste Tour startet in wenigen Stunden. Urlaub, nein? Das ist Erlebnisse sammeln. Alle sind aus einem Grund hier. Diese einmalige Natur erleben und im besten Fall sich auch auch noch die Geschichte reinzuziehen. Sensibilisierung und Horizont erweitern. Also für mich ist es das.