Wandern

Was hier los ist. Laufen macht mir Spaß. Kilometerweit. Bisher in Baumwolle und Birkenstocks. Doch heute gehe ich, mit Absicht und anders vorbereitet, wandern. Vorgestern schon einmal einen Gipfel erklummen. Wie gut es mir danach ging. Traumhaft. Also heute nochmal. Dieses Mal so richtig …was ist richtig? Atmungsaktives Shirt gekauft. Baumwolle geht nicht. Schnürsenkel fest gezogen. Weg rausgesucht. Hab jetzt einen Account bei Komoot. Umgeben von Bergen habe ich eine große Auswahl. Es soll der knapp 4h Marsch werden. Eh der Bus in der City kam. Die fahren hier wann und wie sie wollen. Das macht mich wuschig. Also 25 Minuten auf meinen Shuttle gewartet. Andere Wanderer saßen schon im Bus. Komplettes Equipment. Volkssport in Korea. Ich bin heute Eine von euch. Starten wir. Ich dachte, dass ich leicht starte und dann, wie vorgestern, einige Kilometer habe, wo es bissl anstrengender wird. Nix is. Ab Meter 425 ging’s aber sowas von bergauf. Nach 1h bin ich am Ende. Biggest Loser live. Bin Teil einer männlichen Wandergruppe. Hatten einfach den gleichen Rhythmus. Das Land der Schilder. Irgendwann habe ich aufgehört diese zu übersetzen. Ich schnaufe. Pause. Bekomme einen Bonbon von einem der Männer angeboten. Danke. Ein anderer machte mich auf etwas aufmerksam. Auf koreanisch. Ich verstehe nix. Er bittet mich näher zu kommen und zeigt auf einen Felsen. Buddha I. Ach, wie schön.  Danke. Hatte ich übersehen. Wir laufen weiter. Die Männer lachen und wir sind eine Gruppe. Erster längerer Stopp … eine kleine Berghütte. Ratet. Genau, es gibt Kaffee. Und die Männer schlürfen vergnügt. Es riecht sehr gut. Ich nicke ab und laufe weiter. Hab wieder Energie.

So langsam hätte ich nichts gegen diese Stöcker und Schuhe, die meine Knöchel schonen. Ich fluche und vergewisser mich mehrmals in meiner App, ob das wirklich ein mittelschwerer Wanderweg ist. Und weiter. Mein ganzen, großen und schweren Körper nach oben wuchten. Ich glühe. Steine. Eng. Laub. Konzentration. Ich hoffe, dass das hier bald vorbei ist und ich bald so richtig cool einen leichten Waldweg vor mir habe. Ich liege sowas von falsch. Wartet ab. Aussichtsplattformen mit spektakulärer Sicht. Dafür lohnt es sich. Schnauf. Weiter. Die Männer kommen nicht nach. Sie werden doch nicht aufgegeben haben? Ich würde es ihnen nicht übel nehmen.

Ein Pärchen mit Sneaker und Baumwolle. Mal eben so auf den Berg. Ihr seid jung und fit. Ich hasse euch. Geht weg. Ich lasse sie vorbei. Die quatschen auch. Haben Puste. Haut ab!

Gipfel. Snack. Wasser. Und jetzt easy der Abstieg. Schon 2h unterwegs.

Meine Knie sehen den Weg für den Abstieg und kündigen mir die Freundschaft. Wir müssen jetzt aber runter, bitte lasst uns das unten diskutieren. Mit Männern fing es an. Mit Frauen endet meine Wanderung. 5 Frauen. Lass sie zwischen 50 und 60 sein. Natürlich volle Ausrüstung. Ich werde gefragt, ob ich alleine unterwegs bin. Ja! Daumen hoch. Ist hier ein Phänomen. Los Mädels. Vor Sonnenuntergang müssen wir unten sein. Wir laufen zusammen weiter.

Und jetzt komme ich an meinen Grenzen. Es heißt Wanderweg und nicht Steine, wo man irgendwie rüber muss. Ich krieche teilweise auf allen Vieren und rutsche mit meinem Hintern große Steine runter. Ist jetzt nicht eurer Ernst. Pause. Aussichtsplattform. Ach. Meine neuen Freundinnen fragen nicht, sondern sorgen dafür, dass ich jetzt ein Foto von mir bekomme. Na gut. Mein erstes Foto mit mir als Motiv seit dem 6.10. Ich bin stolz und das Wetter ist ein Traum. Nicht frieren. Los jetzt Mädels. Weiter. Na gut. Bekomme manchmal von einer Streberin Wegvorschläge. Also wie ich diesen Felsen am besten runtergehe. Ich nehme dankend an. Ich lerne wandern. Es ist volle Konzentration angesagt. Ein falscher Tritt und mich muss hier jemand abholen. Und das will ich sehen. Nationaler Notfall: ‚Attraktive Berlinerin, 42, überschätzt sich im Nationalpark von Gyeongju – Rettungskräfte überfordert. Kapazitäten der koreanischen Bergwacht sind am Ende.‘ Nein. Nein. Dazu lassen wir es nicht kommen. Bergauf. Obwohl wir schon nach unten laufen. Ich blicke nicht mehr durch. Es sind auch keine Wege. Es sind Felsen, wo man entlang läuft. Und wieder sitze ich auf dem Hintern und rutsche 3 Meter einen Felsen runter. Bin ich hier richtig? Solange die Frauen bei mir sind, ist alles gut.

Es hört nicht auf. Und da ist er. Der Buddha im Fels. Aus der Silla-Dynastie. Die Frauen verneigen sich. Ich deute es an, um Respekt zu zeigen. Fotosession. Muss sein. Alles für den Erleuchteten. Sieht aber auch wirklich magisch aus.

Erleuchte mich!

Ich sehe schon den Weg, der jetzt kommt. Wollt ihr mich verarschen. Ich atme ein und aus. Genieße die Natur, wenn ich mich nicht gerade auf meine 50 Zentimeter vor mir gut fokussieren muss. Ick schwitze. Aber ich bin happy. Jetzt 30 Minuten durch einen Bambuswald. Märchenwald. Und zur Krönung noch ein Wasserfall. Wie, wir müssen an dem vorbei? Das kann kein Weg sein. Ich frage die Frauen (naja ich zeige in eine Richtung mit verwunderte Miene!), ob ich da jetzt lang muss. Ja ja. Genau. Ihr lacht noch. Ich zeige meinen Wanderfrauen in meiner App, wie lange noch. So langsam sind die auch erschöpft. Ich gehe schon mal vor. Ich überlege eine Minute, wie ich jetzt an dieser schrägen Felswand neben dem Wasserfall vorbei soll. Das schlimmste, was passieren kann …ich fliege ins Wasser. OK. GO. Geschafft. 3,5 h schon unterwegs. So langsam geht es bergab. Ich schlürfe noch etwas Wasser aus dem Bach. Dort hängen immer Becher, dass man genug schöpfen kann.

Ich wasche mein Gesicht. Es macht zisch und ratsch! Meine Hose ist gerissen. Na herzlichen Glückwunsch. Ich lache und gucke, ob ich noch alleine bin. Ich versuche mein Shirt weit über den Hintern zu ziehen. Also das muss ja jetzt wirklich niemand sehen.

Ich schwebe vor Wanderglück. Erschöpft. Die Füße qualmen. Wie schön das war. Wie unerwartet das alles. Beeindruckende Natur und Geschichte. Buddha hat mich ohne Helikoptereinsatz gesund nach unten geleitet. Ich danke.

Der 500er Bus kommt pünktlich. Na geht doch. Ich gucke aus dem Fenster und schaue nochmal auf den Berg und ich entscheide, dass das heute das schönste war, was ich in Korea erlebt, gesehen und gemacht habe.

Selig.

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3 Kommentare

  1. Schön, wenn man über sich selbst lachen kann….

  2. Was für eine tolle Wanderung! Danke fürs „Mitnehmen“! Aber wo ist das Bild von dir, dass deine Mitwanderinnen von dir gemacht haben??

    • Du weißt doch! Anonymität ist mir sehr wichtig. Wir wissen ja, wie Bennifer & Co fluchen, wenn die Paparazzi vor deren Häusern stehen. Das will ich einfach vermeiden.

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