COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2). Die 19 steht für 2019. Ach was. Klimaanlagen, falsche Kleidung und ganz wichtig der Druck vom Alltag und Leben fällt ab. Ich werde krank. Das ist nicht neu. Für mich und viele andere auch. Also war ich angeschlagen. Ich hab in einem Hostel in Chengdu (DIE Pandastadt!) eingecheckt.

Irgendwann rafft man es schnell, das Chendgu DIE Pandastadt in China ist.

Ich war schon so cool in China unterwegs, dass ich am Bahnhof ganz lässig und selbstverständlich in ein Taxi eingestiegen bin. Bei Google habe ich die Funktion entdeckt, dass die Zieladresse in Chinesisch vorgelesen wird. Nichts konnte mich mehr stoppen. Doch! Mein Immunsystem. Schlagartig ging es mir richtig dreckig. Alles soweit normal. Kennt man. Ich habe mich noch in den berühmten Panda-Park geschleppt. Ich bin 4h gelaufen. Zurück mit dem Bus. Ich bin schwarz gefahren. Ich war zu schwach, mich mit dem Busfahrer auseinanderzusetzen. Ein Blick in die CCTV und wieder einen Eintrag in die Akte. Egal, ich bin zu schwach. Ich brauchte dringend eine heiße Suppe und Ibu. Neben den Pandas war der beheizte Sitz in der öffentlichen Toilette ein Traum. Es war ja Winter. Auch so eine gut überlegte Idee von mir. Aber dafür war Overtourism somit kein Thema auf meiner Reise.

Einfach Zucker. Die Gehege sind gefühlt riesig. Man sieht keine Zäune, wie in den Zoos in Berlin. Der Park ist so groß wie der Tiergarten (Nicht recherchiert!) und nur wenige Wege mit Leitsystem für Gaffer! Ich glaube (und hoffe) es geht ihnen gut.

Heiße Dusche, Ibu und zu meinem Stammlokal in einer Seitenstraße. Die Besitzerin hat mich erkannt (Ich denke, das ist nicht schwer!) und mir schon meine Suppe hingestellt. Ja, ich habe fast nur Suppe in China geschlürft. Nervt mich nicht mit Sätzen wie: ‘Aber da kann man doch so gut HotPot essen und hast du mal Ratte versucht?’. Tut mir einen Gefallen und fahrt selbst hin und erfüllt euch euren Rattentraum. Suppe und ein warmes Bier. Wie immer. Danke.

24.12.2019. Ich habe mich für die Weihnachtsfeier im Hostel angemeldet. Ich war gespannt. Und bis heute einer der schönsten Erlebnisse in China.

Dass mir in Chengdu die SIM-Karte gesperrt worden ist und ich versucht habe, das rückgängig zu machen – berichte ich später. Kommt auf die Erinnerungsliste unter ‘Ernsthaft?’.

Ich wollte nicht als Deutsche die Erste und pünktlichste auf der Weihnachtsfeier sein. Ja, kein Scherz. Ich ging davon aus, dass ich dann alleine im Foyer vom Hostel stehe. Das wollte ich vermeiden. Daher habe ich mir noch ein warmes Bier auf der Dachterrasse gegönnt. Also die Dächer der Hostels waren der wichtigste und schönste Spot vor und nach dem Schlafen Gehen.

Sind das Fake News?

Mir ging es besser. Kombi aus Alk und Ibu sind einfach immer noch Killer. Ich war zu spät? Wie geht das? Hätte ich mir denken können. Der Nachtzug kam ja auch 4 Minuten zu früh in Xian an. Ich wurde sanft und liebevoll an den Zehen von der Zugbegleiterin geweckt mit der Bitte mich fertig zu machen. Da hätte mir klar werden müssen, was Pünktlichkeit in China bedeutet.

Ich wurde sofort eingebunden oder besser eingenommen. Ich wurde an einen Tisch mit 10 Personen gesetzt. Ich hatte keine Chance. Und wieder: Einfach zulassen! Ein Typ aus NYC nickte mir beruhigend zu. Okay, ich mache mit. Wobei? Exakt. Beim Basteln von Weihnachtsmännern. Mariah Carey lief. Und mir klebte der chinesische UHU an den Fingern. Dass das hier kein Waldorfbasteln wird war mir allerdings klar. Also so schlecht sah das nicht aus, was ich da gemacht hatte. Basteln kann ich. Aber nein, in China kann alles noch exakter und richtiger sein. Nix Kreativität aka Freiheit?! Zulassen: Es ist nur ein Weihnachtsmann. Zu Hause bastel ich dann wieder Weihnachtsmänner, wie sie mir gefallen. Die gebuchte Origami Lehrerin kam wirklich neben mich und korrigierte mich, ob ich wollte oder nicht. Was kann ich denn bitte bei einem Weihnachtsmann falsch machen?! So einiges, wie ich erfahren habe. (Ich suche mal schnell ein Foto raus! Glaubt mir ja sonst keiner!)

Und dann folgte der Tanz- und Spieleabend. Kartoffelsalat in Trinkbechern mit Stäbchen. Alles liebevoll dekoriert. Es wurden immer mehr Leute. Irgendwann war ich in einem Spiel involviert, wo wir Luftballons knallen lassen mussten und dafür Preise gewannen. Es gab eine heimliche Raucherecke der Angestellten (alle um die 20 und eine erstklassige Ausbildung in GB! Das Englisch wie Musik in meinen Ohren. Heimat.). Wir also auf der Feuertreppe neben leeren Getränkekisten – Kippe und Bier. In China habe ich keine Frau rauchen sehen. Ein Männerding. Eine Chinesin (Ja, ich habe ihren Namen vergessen! Aber die Erinnerung zählt.), der NYC-Guy, ein Angestellter und ich standen auf engstem Raum und lernten uns kennen. Die Chinesin fragte mich oder besser stellte fest, dass das ja jetzt schon mein 3. Bier (0,5l) ist. Der Ami lenkte gleich ein und klärte auf: Sie ist aus Germany!!! Ahhhh, alles klar. What?! Das Chinesen in ihrem eigenen Land Urlaub machen und reisen, habe ich schon in Peking verstanden. Denn die Touristen waren zu 90% Chinesen. Aber ich habe erfahren, dass viele junge Menschen Visen beantragen, um im Ausland zu arbeiten. Und daher checken sie in ‘größere’ Städte in Hostels ein, und warten auf die Bestätigung. Das ist alles nicht so einfach. Ich vergleiche das jetzt mal, auch wenn ich das natürlich nicht selbst erlebt habe, mit dem Ausreiseantrag in der DDR. Wollte die Jugend nur Erfahrungen im Ausland machen, um Geld für die Familie zu verdienen oder abhauen? Vertieft wurde das Gespräch nicht, da waren wir uns einig. Aber später sah ich die jungen Menschen in den Hostels mit anderen Augen. Nicht alle Touristen. Viele warteten auf ihre Chance auf Freiheit. Man lernt viel über seine eigene Freiheit, wenn man reist. Demut.

Und dann kamen mir die Tränen. Ja, ich gebe es zu. Karaoke darf natürlich bei einer Weihnachtsfeier in China nicht fehlen. Die Chinesin ohne Visum ging selbstbewusst ans Mikro und sang Taylor Swift mit Lovers. Wow. Mit so viel Leidenschaft und Liebe sang sie diesen Song. Das werde ich nicht vergessen. Dieser Song wird mich immer an diesen Abend erinnern. Danke. Und ich habe ihn dann später zu Hause eine ganze Weile in Dauerschleife gehört. Für immer auf meiner Liste meiner Lieblingssongs.

Inlandsflüge in China mit einer europäischen Kreditkarte buchen, soll wie russisch Roulette spielen sein. Kann klappen, muss aber nicht. Egal, ich muss nach Shanghai. Ich hatte auch keinen Bock mehr. Ich war satt und erschöpft. Das werde ich noch Jahre verarbeiten. Die 4. Woche der Reise war angebrochen. Ein Angestellter vom Hostel gab mir noch den Tipp, bevor ich mich auf den weg zum Flughafen machte, dass ich nicht zögerlich sein sollte, um das zu bekommen, was ich will und brauche. Ich musste mir mein Boardingpass noch an einem Schalter (Wir lieben Schalter in China!) am Flughafen abholen. Er meinte: Drängel dich vor und warte, bis man dir hilft.

Und genau das machte ich. Ich blieb mit meinem Reisepass am Schalter der Macht stehen und bestand darauf, dass man mir jetzt meinen Boardingpass ausdruckt. Eine andere Chance hatte ich auch nicht. Glücksspiel. Geschafft. Werde ich jemals in Europa am Flughafen gefragt, warum ich so stur und ruppig beim CheckIn bin, dann werde ich lächelnd antworten: ‚Die Schalter in China haben mich hart und stark gemacht! Lassen Sie mich jetzt durch!‘

Im Flugzeug war ich wieder mal die schwerste und größte Person. Warum waren die drei Männer neben mir so unruhig? Gucken dauern rüber. Sonst sind alle schüchtern, außer, wenn sie ein ‘offizielles’ Fotos haben wollen. Man wird auch oft heimlich fotografiert! Ich bin bestimmt öfter im weibo-Feed gelandet! Caption: Große Frau versucht Nudeln zu essen. Jetzt trauen sie sich. Im Chor: Happy Christmas. Ich lächle. Ich werde denen jetzt nicht erklären, dass ich diese ganze Jesussache anzweifle und der Papst und seine Gang nicht mehr zeitgemäß sind. Ich freue mich über den Mut und gebe ihnen das Gefühl, dass ich das ganz reizend finde. Geben ist so wichtig. Besonders im Sozialismus.

Ziel nachdem ich eingescheckt habe: Apotheke. Auch hier leicht zu erkennen. Das funktioniert international. Ich bin krank. So richtig. Ich weiß, dass ich viel Zeit im Zimmer verbringen werde, 1. weil ich eine Pause brauche und nicht mehr kann und 2. Ich will nur schlafen, husten und leiden. Ich schaffe es, nachdem ich mein Zimmer (Einzelzimmer!!) gesehen habe, noch einen Gang zur Rezeption im Hostel, um ein Upgrade zu erfragen. Mein gebuchtes Zimmer hatte ein Fenster mit Blick auf einen zugemüllten Balkon. Nein, ich brauche jetzt heile Welt. Ich will einen Blick auf Shanghai. Das Hostel war in einem Wolkenkratzer. 12. Stock, glaube ich. Ein Vorteil im Winter zu reisen – ein Upgrade war kein Problem. Blick auf die Welt. Danke. Jetzt Apotheke. Ich kratze meine letzten Energien für ein einzigartiges Schauspiel für den Apotheker zusammen. Was er da sehen musste, tut mir leid, aber es hilft ja nichts. Ich bekam irgendwas krümeliges, was man in Wasser auflösen konnte. Irgendwelche Kügelchen aus Ingwer zum Lutschen (Reine Vermutung!), einen Hustensaft und/oder Fiebersenkendes (Es war mir egal. Gib! Gib! Gib! Ich nehme alles!) und mein erster Inhalierstift mit Menthol (Beste! Bis heute in meiner Reiseapotheke!). Jeden Tag besuchte ich meinen Apotheker des Vertrauens. Freunde wurden wir nicht. Vielleicht vermutete er schon, dass ich Corona habe?! War er einer der ersten in China, die es wussten?! Wir werden es nie erfahren. Ibu und Co hatte ich selbst noch vorrätig. Schlafen in Etappen. Schwitzen. Schmerzen. Husten bis zur Ohnmacht. Jeden Tag einmal raus für Suppe, Krümelwundertee (Habe alle Packungen gekauft. Irgendwann war Nachschub nicht mehr möglich. Ausverkauft.) und Grapefruit.

Neben dem Hostel mein Fettdealer. Am ersten Tag habe ich noch vor Ort gegessen. Dann nur noch zum Mitnehmen.

Ich habe mich in einer guten Stunde erkundigt, wie das mit einem Krankenhausbesuch in China abläuft. Bargeld auf den Tresen am Schalter (Diese Schalter sind der Anfang von allem!) knallen und man wird bedient. Okay, ich wusste, was ich zu tun hatte, wenn ich aufgebe. Mir ging es nicht gut. Vielleicht war es eine Mischung aus Heimweh und Klimaanlage? Ich werde es nie erfahren. Es wurde besser. Heute würde man sagen: ‘Der Strich ist nicht mehr zu sehen. Eindeutig.’ 

Also so sah es bei mir 2022 neben meinem Bett auch aus, als ich (wieder) Corona hatte.

Bevor ich zum Gate für meinen Flug nach Hong Kong durfte, wurde noch zwischen Bus und Treppe zum CheckIn mein Fieber gemessen. Provisorisch aufgestellte RollUps mit Infos über Sicherheit. Daneben eine Person, die mit Maske auf unsere Stirn zielte. Es kam mir alles komisch vor, weil in meinen 4 Wochen China alles organisiert und strukturiert war. Das sah mir zu sehr nach ‚heute morgen entschieden‘ aus. Sehr untypisch.

Ich war durch. Ich war voll. Und dann stieg ich aus der Metro auf dem Weg zu meinem Hotel und schaute staunend in den Himmel. Wie eine Ameise. Solche hohen Bauten und alles so eng. NYC kenne ich ja noch nicht. Ich musste lachen und dachte mir: Ach, komm schon. Es reicht! Warum waren Banken und Starbucks mit Brettern versiegelt und warum gab es keine Mülleimer? Denk nach, Frau Klamm. Ich kam erst später drauf. Ab ins Hotel. Bisschen schonen muss ich mich noch. Reste vom Krümeltee im Wasserkocher aufbrühen. Ich war geübt, mich zu pflegen. Wer sollte es sonst machen?  #alleinreisen Freies TV. 3 Wochen kannte ich das nicht. Also lief die BBC 24/7. Corona war Thema. Ich erinnere mich nur noch an Bilder von Menschen in weißen Anzügen in China, die irgendwas besprühten. Wenn ich keine Nachrichten geguckt habe, waren es Hallmark Filme auf YouTube. Ich brauche eine hohle heile Welt. Ich wurde auf eine Frauenetage eingecheckt und als ich zwei Tage mein Zimmer nicht verlassen hatte, wurde ich angerufen, ob alles ok ist. Ein neuer Eintrag in meiner Reiseakte. Ich war wieder fit. Heute würde man vielleicht sagen: ‘Ich habe mich frei getestet‘. Ich konnte leckere Latte Varianten im stylischen Café genießen. Ich war zurück. Die Hongkong Proteste waren aktueller denn je. Ich war nicht immer freiwillig in meinem Zimmer im 15. Stock. Innerhalb von Minuten war die Innenstadt autofrei und die Polizei stand an jeder Ecke.

Diese Stimmung in der Luft. Eine pulsierende Metropole innerhalb von Minuten totenstill.

Man bat mich, ins Hotel zu gehen. Die offiziell angemeldete und legale Demonstration bekam ich noch mit. Ich stand mittendrin. Dann ging ich in mein Zimmer. BBC live. Und als die Demo eine Minute über der angemeldeten Zeit noch aktiv war, ging es los. Hunderte Polizisten stürmten die Straße. Ich konnte es live aus meinem Zimmer beobachten. BBC erklärte mir parallel, warum und was gerade passiert. Ich kann nicht mehr. Die Welt. Die Freiheit. Nach zig Artikeln und Dokus zu Hongkong erstmal wieder ein Hallmark Film. Embryostellung und Tee.

Die letzten Stunden meiner Reise. Ich hatte sogar Lust auf ein Bier. Das spare ich mir für Silvester heute Abends auf. Das Feuerwerk in Hongkong soll eines der schönsten auf der Welt sein. Also nach der 5h Citytour ab in einen Späti. Sixpack und Kippen und ab ans Wasser mit Blick auf Hongkong Island. 10 …9 …8 …viele Menschen unterwegs. Alkohol war verboten. Ich schlürfte heimlich mein 4. Bier. Mir egal. Ich war gesund.  Und betrunken. 7 …6 …5 …ganz schön ruhig. Okay. Abwarten. 4 …3 …2 …1…NICHTS. Auf einem Tower stand: Happy New Years 2020! Mehr nicht. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Ab nach Hause. Betrunken in einem McDonalds 4 Cheeseburger bestellen. Auf Englisch und ohne App.  Home-Alone Party in meinem Zimmer. BBC mein bester Freund in Hongkong. Aufgrund der Proteste wurde um 17 Uhr das legendäre Feuerwerk in einer Pressekonferenz abgesagt, um die stillen Proteste auf Hongkong Island zu unterstützen. Da haben wir also hingeguckt. Tausende Lichter. Der Protest ging still weiter. 

Happy New Year. 2020. Wir leben in schweren Zeiten und es wird noch schlimmer. Corona wird uns überrollen und wir sind noch ahnungslos. Und es wird uns verändern.