Günstig reisen heißt Hostel. Bedeutet Backpacker. So langsam habe ich keine Lust mehr. Aber das Mehrbettzimmer und das Gesamtkonzept stört mich gar nicht. Es sind die jungen Menschen. Es klingt so, als ob ich die Jugend verfluche. Nein, das ist es auch nicht. Ich kann die Gespräche nicht mehr. Copy Paste. Woher kommst du? Wie lange bist du schon hier? Was hast du schon gesehen? Blah blah blah …und Menschen, die nicht grüßen oder eine Attitüde haben, gehen mir einfach auf die Nerven. Und ich kann sie ja nicht einfach an die Wand drücken und anpampen. Leider nicht. Ich glaube, es sind auch gar nicht die Menschen, sondern dann doch die immer gleichen Gespräche …zumindest am Anfang. Und eigentlich ist das auch menschlich und ok. Wenn du das aber 6 Monate machst, dann schlaucht das. Und es ist immer das gleiche. Kommst an. Du packst deine Lebensmittel in den Kühlschrank in der Gemeinschaftsküche. Mit einem Label: Name, Zimmernummer und Abreisetag. Ansonsten wird es zu Essen für alle im Freeregal. Bett suchen. Wertsachen ins Schließfach, wenn es eins gibt. Und dann organisieren. Wo ist was? Und wenn du schon Tage an diesem Ort bist, dann siehst du das bei den anderen. Sie kommen an. Packen ihre Lebensmittel in den Kühlschrank. Wuchten ihre Rucksäcke in die Zimmer und packen aus. Jede Stunde und jeden Tag neue Menschen und die gleichen Abläufe. Immer und immer wieder. Dann wird gekocht. Deutsche essen meist Brot oder Nudeln. In Gruppen, Pärchen oder alleine. Alles dabei. Ja, das ist es, was nervt. Die Menschen können nichts dafür und ich bin ja auch eine davon. Was? Ich bin nichts Besonderes? Ich bin schockiert.
Du hast gerade keinen Bock auf Gespräche. Heute nicht. Vielleicht morgen. Du sitzt morgens am Tisch in der Küche. Es setzt sich jemand an ‘meinen’ Tisch. Mutig. Wir essen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Wir essen unser Frühstück und schweigen oder jemand sagt oder fragt was. Alles kann, nichts muss. Noch nie war mir diese Situation so krass bewusst. Ich kann entscheiden. Und ich entscheide mich, sie etwas zu fragen: ‘Was sind heute deine Pläne?’ Und los geht’s. Und hier haben wir wieder eine dieser Begegnungen, die ich nicht vergessen werde, weil es Input war. Oder mag ich deswegen das ganze gerade nicht, weil ich weiß, dass ich dann ständig Input ausgesetzt bin?
Sie ist Mexikanerin und auf Zack. Ü30 und klug. Keine Standardnudel aus Freiburg. Gott sei Dank. Sie moderiert die Runde, denn jetzt hat sich noch eine Französin zu uns gesetzt. Ich probiere zwischendurch aus ihrem Erdnussbutterglas. Denn ich habe das noch nie gegessen und jeder isst das in den Hostels. Warum? Schmeckt mir nicht. Haben wir das auch geklärt. Die Mexikanerin holt mich total ab und ich klatsche nur freudig in die Hände. Sie hat die Südinsel von Neuseeland in 7 Tagen durch. What? Ich verbringe durchschnittlich 5 Nächte an einem Ort. Dieser Stress und dieser Druck, dann alles zu sehen. Genau das kann ich auch nicht ertragen. Die sind alle auf Reisespeed. Das macht die alle so huschig (Ist das ein Wort? Schwanzhund ist keins!) und überdreht. Ich bin so dankbar, wie ruhig ich hier reisen kann. Sie hat einen der besten Sätze bisher gesagt, die das am besten beschreibt: ‘Ich reise so schnell, da kann mein Handtuch noch nicht mal richtig trocknen, in diesen schlecht belüfteten Hostelzimmern.’ Das trifft es. Nur 2 oder 3 Nächte. Genau, das ist der Durchschnitt. Du bist ja nur am Aus- und Einpacken. Und Lebensmittel einkaufen. Und kochen, wenn du Deutscher bist. Haha. Es kochen auch andere Nationalitäten. Aber man erkennt schon, wer Deutscher ist. Würdet ihr auch erkennen. Und ich meine nicht am Outfit, sondern an den Zutaten und wie gekocht wird. Dann erzählt sie auch, dass sie die Landschaft hier jetzt auch nicht so beeindruckend findet, denn sie hat das auch in Mexiko. So ehrlich und so wahr. Sie berichtete auch, dass sie eine Freundin in Hamburg besucht hat und dann ans Meer gefahren ist. So lustig und mit einem trockenen Humor. Herrlich. Sie steht am Meer und fragt sich: ‘Das ist es jetzt?!’ Sie kommt aus Cancún. Ach endlich mal jemand, der das auch so nüchtern und wach betrachtet. Ist das eine Typfrage oder das Alter? Ich weiß es nicht. Die Französin berichtet sehr leise nur Dinge, die ihr fehlen. Das wir fast im Chor beantworten: ‘Fahr nach Hause!’ Nein, sie muss das jetzt noch durchziehen. Gut, dann quäl’ dich, aber quatsch uns nicht voll.
Mist, ich wollte doch jetzt mal ein bisschen Ruhe. Nach 1,5h mit zwei Fremden und doch kennt man sich jetzt …mache ich los …reicht jetzt.
Abends rolle ich mich in mein Bett. Endlich wieder coole Betten. Eine Holzkiste! Zuletzt in Korea! Was hab ich dich vermisst! Und dann kommt eine Person und hat die Hände schon an den Vorhängen vom Fenster neben mir und fragt: ‘Kann ich die zuziehen?’ Aber es wird so gefragt, als ob ich definitiv Ja sagen werde. Tja, die Zeiten sind vorbei. Ich: ‘Wieso?’ ‚Na, ich kann nicht schlafen, wenn es so hell ist!’, sagt sie verwundert. Ich: ‘Schläfst du unter mir?’ Denn dann würde ich es verstehen, aber ich weiß, dass sie nicht unter mir wohnt, sondern eine Reihe weiter im Raum. Boah, war sie pissig, aber ich hatte Spaß! Kommunikation ist so wichtig. Sie: ‘Ja, aber es ist dann im ganzen Raum hell und ich kann nicht schlafen!’. Ich: ‘Du hast doch so einen Vorhang vor deinem Bett!’ und zeige auf meinen Vorhang. Wie eine Wetterfee. Sie rastet gleich aus und sie denkt sich vielleicht: ‘Boah, diese Alte geht mir auf den Sack!’ Ihr Gesicht verrät es mir ein bisschen. Sie erschöpft und richtig schlecht drauf: ‘Das reicht nicht!’ Ich lasse sie nun in Ruhe und nicke nur ab und sage: ‘Hm ..!’. Sie zieht den Vorhang zu. Am Tag danach bekomme ich einen ekligen Blick von ihr. Ich lächle. High school ist never over. Mir hat’s Spaß gemacht. Ich gebe es zu.
Es ist nicht so, dass ich Einzelzimmer brauche oder das ich alles anstrengend finde. Es ist manchmal einfach zu viel und zu lang. 6 Monate! Mehr nicht. Das vergeht und ist auch abhängig vom Vibe im Hostel und der eigenen Stimmung. Ansonsten bin ich Team Hostel. Macht mir nichts und ich lerne jeden Tag bei mir zu bleiben und mich von diesem Kommunen-Lifestyle nicht mürbe machen zu lassen. Und ich brauche dann doch den Trubel um mich herum. Infrastruktur und Menschen. Ich muss mich ja nicht mit allen anfreunden. Obwohl natürlich alle am liebsten mit mir befreundet wären. Denn ich bin total nett.