Plan für heute: Zum Giant’s Causeway und weiter ein Stückchen die Causeway Coast Richtung Dunseverick Castle entlang. Die ausführliche Geschichte zum Giant’s Causway (Damm des Riesen) spare ich mir. Bitte selbst nachlesen. Kurz: Ein Riese hatte Beef und war kein Freund der gewaltfreien Kommunikation. Ich sehne mich nach der irischen Natur, dem Meer und einfach nach dem Laufen und kein Beton sehen. Vor dieser Reise hatte ich aus Vorfreude ein Jane Austen-Phase. Und genau diese Landschaft bekomme ich jetzt.
Start ist der Ort Bushmills (Ja, der Whiskey Bushmills. Bei manchen klingelt es. Ich gehe darauf nicht ein, aber hier gerne weiterlesen.) als Ausgangspunkt gewählt. Wenige Gehminuten zum Strand und ein guter Start für meine Touren. Eingecheckt habe ich erst einmal in einer in Jugendherberge aus den frühen 90ern. Als ich den Flug gebucht hatte und die Zimmerpreise an der Küste recherchiert habe – war klar: Erstmal ein Bett sichern. 20 GBP die Nacht im Bushmills Youth Hostel. Upgrade geht immer.
Mir war bei den Fotos auf der Internetseite sofort klar, was mich erwartet. Das Fotoshooting hat definitiv vor 1995 stattgefunden. Mit den heutigen Hostels hat das nichts mehr zu tun. Aber hey, 20 GBP die Nacht und auschecken geht immer. Außer Bettwanzen kann mich so schnell nichts abschrecken. Wenn ich mir manche Bewertungen bei booking.com durchlese, dann verstehe ich einfach nicht, was die Menschen erwarten. Goldene Wasserhähne und neu sanierte Zimmer. Leute, eine Jugendherberge au den 90ern und 20 GBP die Nacht.
Es muss mindestens 500 Betten in der Herberge geben, aber ich habe in 6 Tagen nur 5 Menschen getroffen. Hatte ich nur einen anderen Tagesrhythmus? Mir hat es gefallen. Nicht ganz allein, aber auch keine 10 Personen in der Küche, die sich ihre Lebensgeschichten erzählen: Und? Wo kommst du her? No, thanks.
Vorteil in Jugendherbergen ist, dass man Zugang zu einer Küche hat (Ja, nicht bei allen!). Also heißes Wasser für die erste Tour kochen und dann geht’s los. Und man entdeckt in den Gemeinschaftsküchen immer Dinge, die man nicht glauben kann. WGs sind einfach klasse!
Man kann von Bushmills einen historischen Zug nehmen oder entlang der Schienen über Golfplätze laufen. Ich entscheide mich, die oberen Zehntausend auf den Golfplätzen zu beobachten. Und wo warst du in deinem Urlaub? Na, 3 Wochen Golfurlaub in Nordirland. Aha, ok!
Ich hatte mit Massentourismus gerechnet. Innerlich habe ich mich schon eine Stunde vorher darauf eingestellt. Zum Glück war ich (fast) allein auf dem Weg zur ersten Station, denn alle fahren mit ihren Wohnmobilen und Vans direkt zu Parkplätzen neben den Sehenswürdigkeiten. Obwohl der Weg entlang der Küste ja eine einzige Sehenswürdigkeit ist. Aber mit einem Auto würde ich es genauso machen. No offense. Da ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin – und dafür stehe ich mit meinem Namen – habe ich andere Wege.
Ich habe solche Touren oft mit mir erlebt. Es ist interessant sich zu beobachten, wie man sich verändert und ich bin definitiv ruhiger und achtsamer geworden. Ich bin nicht mehr so aufgeregt. Macht das Alter, oder? Verweilen. Durchatmen. Es sind ja auch nicht meine ersten Klippen im Leben (Cliffs of Moher). Also erstmal Teechen und die Aussicht genießen.
Und ja, ich gehe diesen Weg mit Birkenstocks. Ich hatte mir noch schicke (sehr selten!) Wanderschuhe bei kleinanzeigen gegönnt, aber nicht mitgenommen. Weil: 1. Beim Probetragen habe ich gemerkt, dass sie zu warm waren und eher für den Winter geeignet sind. 2. Zu schwer waren mitzuschleppen, um sie eventuell zu tragen. Ich schleppe nicht! Meine erste Regel bei meinen Reisen.
Es war Hochsommer in Irland. Sagt einem ja auch keine*r. Gute Entscheidung, die Birkenstocks mitzunehmen. Die Sonne hat so geknallt. Absolut unterschätzt. Ich hatte einen fetten Sonnenbrand am Nacken und einen kleinen Hitzschlag (Nicht wirklich, rein medizinisch gesehen, aber ich hatte in jedem Fall zu viel Sonne abbekommen).
Paracetamol, Ingewershots und Hühnersuppe waren am nächsten Tag meine Rettung. Es ist kompliziert. Es stürmt – klar, bin ja auch an der Küste. Aber es ist auch Hochsommer. Und auch wenn ab und zu eine kleine Wolke kam, wo man wieder gefroren hat – war die Sonne trotzdem stärker. Und ich gehöre auch nicht zu dem Typ, der sich mit Funktionskleidung ausstattet, nur weil manmal ein paar Kilometer im Jahr wandern geht. Aber das war mir eine Lehre. Das werde ich ändern und schlauer sein. Mit einem T-Shirt aus Baumwolle und Jeans über 20 Kilometer wandern. Nein. Funktionskleidung hat eine Funktion. Ach was. Ich habe es jetzt verstanden! Was die Modelle mit ihren Formen und Farben betrifft, so muss sich noch sehr viel ändern. Und bei den Größen auch. Ich brauche keine Softshelljacke, die mir nicht über den Hintern geht. Ich bin 182 cm lang und ich brauche keine Standardgrößen und Maße. Wir können auf den Mond fliegen, aber Funktionskleidung sieht immer noch scheiße aus und kommt in Standardgrößen. Arm. Warum?! Ich habe mich noch auf der Reise eingelesen und mir ein Oberteil und Hose online bestellt (In schön und schwarz! The North Face hatte sogar etwas in großen und langen Größen zu bieten. Danke.). Das passiert mir nicht nochmal. Ich habe auf meinen Reisen immer ein Thermoshirt mit, was ich beim schlafen trage. Das war für die nächsten Touren meine Rettung. Wieder was gelernt.
Klippe, Klippe, Klippe, Klippe, Klippe ….ey dit reimt sich. Und im Radio …
Ich kann mich nicht satt sehen. Das ist meine Natur, die mich glücklich macht.
Es ist überall das gleiche. Es gibt einen Hotspot, wo man vor lauter Funktionskleidung und lauten Kindern nicht mehr weiß wo man hingehen und hingucken soll. Noch ein paar Schritte für das Selfie und dann aber wieder los zum nächsten Aussichtspunkt oder den nächsten Flieger erwischen. Manche Menschen haben ja nur 10 Tage im Jahr Zeit die Welt zu fotografieren. Ich mache mich nicht lustig. Es ist die Wahrheit und es ist immer wieder schön und zeitglich erschreckend zu beobachten. Es ist überall das gleiche. Vielleicht jetzt nicht in Brandenburg, aber sonst …#Overtourismus – ein Thema für sich.
Irgendwann war ich allein. Niemand vor mir und hinter mir. Traum. Ziel war das Dunseverick Castle. Da sollte mich der Bus wieder zurückbringen. Also einfach laufen! Laufen! Meine Welt. Schafe, Klippe, Sonne, das Meer und Ruhe.
Das ist Glück. Einfach ins Gras setzen und diese Aussicht genießen. Einfach sein.
Es wurde immer einsamer – an sich ja schön. Irgendwann habe ich mir Sorgen gemacht, ob ich vom Weg abgekommen bin. Aber es war nur meine Ungeduld und Sorge den letzten Bus zurück in mein Dorf nicht zu bekommen. Ich habe das dann auch den Schafen mitgeteilt. Ich glaube sie haben mich verstanden und mir kauend und zuversichtlich zugenickt. Die Sonne hat echt gebrannt.
Es ist bei jeder Reise immer wieder aufregend und auch anstrengend herauszufinden, wie die öffentlichen Transportmittel funktionieren. Damit verbringe ich viel Zeit nachts im Bett. Jedes Land und größere Stadt tickt da absolut anders. Zahlt man vorab online oder braucht man Bargeld? In Nordirland könnt ihr Cash bei dem/der Busfahrer*in zahlen oder ihr holt eine Art Monats/Tages/Wochenkarte. Aber ob sich das lohnt?!
Und bitte bedankt euch, wenn ihr aus dem Bus steigt. Das macht man so. Eine schöne Geste. Könnten sich die Berliner*innen auch mal angewöhnen.
Nach 5 Stunden war ich durch. Zuerst habe ich mich auf die falsche Straßenseite gestellt, der Busfahrer antwortet, als ich frage, ob er nach Bushmills fährt: Stell dich auf die andere Seite. Orientierung ist nicht meine Stärke. Hilft mir sehr beim Wandern.
Zurück geht es mit dem Bus. Auch ich habe meine Grenzen. Oh ich habe es so gehofft nach 20km. Habt Vertrauen. 1995 war da noch mehr Ungewissheit. Jetzt weiß Google, dass das genau diese Stelle wenige Meter vom Dunseverick Castle definitiv eine Haltestelle nach Bushmills ist. Aber gebt dem/der Busfahrer*in ein (Hand)Zeichen, dass ihr einsteigen wollt. Sonst hält man euch für eine*n Tourist*in, die sich nach einer 20km Wanderung erschöpft am Straßenrand erholt. Ich bin mir aber sehr sicher, dass man Einheimische von den (Wander-)Touristen unterscheiden kann. Und auch zu 90% erkennt, aus welchem Land sie kommen. Ob ich als Deutsche, Single und Wanderanfängerin identifiziert wurde, werde ich nie erfahren.