Ich sitze im Gemeinschaftsraum von meinem Hostel in Singapur. Noch so gar keinen Plan für heute. Erstmal einen Tee. Heiß. English Breakfast Tea mit einem Schluck Milch. Mein erster Tag. Gestern Abend angekommen. Jetzt weiß ich immerhin schon, was auf mich zukommt. Besonders beim Thema Hitze. Ich lausche der 90er Musik. Es läuft immer der gleiche Radiosender. Laut. Aus Namibia. Ich komme hier echt durcheinander. Es kommt ein junger Mann (Auf jeden Fall U25) zu mir an den Tisch und fängt sofort an zu reden. Er guckt mich noch nicht an. Bindet sich noch seine Schuhe und hutschelt rum. Ich nicke und höre zu – höflich wie ich bin. Dann guckt er mir in die Augen und erschreckt sich. Ich bin nicht die Person, die er erwartet hat. Ich sehe genauso aus wie eine Person, die hier auch im Hostel wohnt. WHAT?! Excuse Me!! Wie geht das denn bitte? Ich bin einzigartig. Er berichtet einfach weiter, dass er einen heftigen Kater hat …er war mit drei Jungs aus seinem Zimmer letzte Nacht unterwegs. Heute fliegt er nach Hause. Ich frage, wo denn sein Zuhause ist. Fein, Hannover! Guten Tag! Sozialarbeiter. Macht jetzt seinen Master. Wir quatschen ein bisschen. Er verarbeitet noch die Nacht mit dem verrückten Typ aus Amerika. Er kann nicht fassen, wie viel Energie der hatte und abging. Party Hard. Ich bin nicht neidisch. Dann kommt ein weiterer Typ. Noch jünger, aber fängt auch seinen Master an. Hat seine Bachelorarbeit über den Massentourismus in Amsterdam geschrieben. Auch aus Deutschland. Bonn! Wird ja immer aufregender. Aber ab jetzt wird es einfach nur noch gut! Auftritt Team Wisconsin. Ich schreibe diese Zeilen mit dem Wissen, was alles passieren wird und wie gut mir diese Begegnung tun wird. Aber in diesem Moment war ich einfach so fertig von der Hitze und immer noch platt von meinen Eindrücken aus Neuseeland. Noch gar nicht bereit für noch mehr … und so viel Liebe!
Zwei junge Männer kommen dazu. Ein Party-Schwein. Das ist einfach sofort klar. Auftritt Deluxe. Absolut präsent. Definitiv der Typ mit der Energie. Achselshirt. Flipflops. Richtig gut drauf. Ein FratBoy*! Ich mag ihn sofort. Ich stehe auf diesen Lifestyle – diese Attitüde. Schon immer. Er studiert nicht. Er arbeitet in einer Bar. Er will weitermachen. Sex, Saufen …GO! GO! GO! Alles klar. Once In A Lifetime. Konzept verstanden. Ich bin bereit, ihm 1.000 EUR für nur 2,543 % seiner Lebensenergie zu geben. Die sind bei mir verdampft. Ist es das Alter? So lieb und süß. Kein Arschloch. Einfach jut druf und das Leben mit Anfang 20 als gut aussehender Typ. Herzlichen Glückwunsch. Und dann sein bester Freund, Jack. Er ist das Gegenteil. Nicht unbedingt mit dem Interessen an Sex und Party, aber ganz anderes Auftreten. Ruhe. Beobachtend. Zurückhaltender. Weniger vulgär. Definitiv ganz anderer Hintergrund. Frau Klamm analysiert natürlich gleich vor Ort. Ich weiß genau, wie die Küche seiner Mutter in dem riesigen Haus in Wisconsin aussieht. Er gibt seinem lauten Freund die Bühne. Ein gutes Team. Sie kümmern sich liebevoll umeinander. Das beobachtet man sofort. Also, ich sehe das. Jack nimmt mich wahr. Ich werde mich verlieben, aber weiß das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es wird klassisch die letzte Nacht gemeinsam aufgearbeitet: Wie geil! Weißt du noch? Wo war das? Waren es 10 oder 20 Shots? Wie sind wir nach Hause gekommen? Hab ich gekotzt? Habe ich den Backflip auf der Kreuzung wirklich gemacht? Videos werden gezeigt. Oh, wie krass. Die Jungs wohnen in einem Zimmer unter dem Dach (!! HOT !!) in Singapur und sind gemeinsam losgezogen. Und nun ist es 11 Uhr am nächsten Tag und wir sind eine Gruppe. Ich mittendrin. Wie immer.
Man beschließt, frühstücken zu gehen. Da sind sie wieder diese verpeilten Dialoge: Ja, also Kaffee. Essen? Jetzt? Du auch? Jetzt? Oder? Aber wo? Ich sitze einfach weiter mittendrin. Feldforschung Singapur: Weiße, junge Männer mit einem Kater wollen gemeinsam noch Zeit verbringen. Wer mich kennt, weiß, dass ich das absolut genieße. Diese Dynamik. Die Unentschlossenheit. Die Liebe unter diesen Personen, die eine geile Nacht hatten. Sie machen los und der Party-Typ fragt mich: Kommst du mit? Ich sage: Nein! Ein Reflex?! Bullshit. Mist. Na gut, sie sind weg. Ich ziehe auch los. Sie stehen noch unten vor der Tür. Links oder rechts war jetzt 5 Minuten das Thema? Der Party-Typ zu mir: Du bist doch dabei!? Cool! Ok, ich mach das jetzt. Bis heute würde ich mich selbst hassen, wenn ich mich nicht entschlossen hätte, doch noch hinterher zu gehen. Nächste Mal nicht einfach erstmal Nein sagen. Dann stößt noch ein spießiger Londoner auf uns. Er wohnt auch in unserem Hostel. Er kommt mit. Verlässt uns aber nach wenigen Minuten wieder. Lasst die Spiele beginnen. Einfach laufen. Es wird sich wirr ausgetauscht und kennengelernt. Diese typischen Begegnungen, die ich seit 7 Monaten am Fließband habe. Man steigt sofort ein. Alle sind schon ein paar Tage da und reisen bald ab. Ich habe noch alles vor mir. Ich laufe neben Jack. Um euch zu beschreiben, in wen ich mich verliebt habe …größer als ich. Viel größer. Jung. Blutjung. 23? Das wird nie Thema sein. Nicht mal ansatzweise. Flipflops, aber was trägst du auch bei 36 Grad und 77% Luftfeuchtigkeit. Ein Hemd, kein T-Shirt. 80er Stil. Klar, ist ja hip. Shorts. Tattoos. Ringe. Aber keinen Daumenring. Puh! Absolut entspannt. Keine Hektik in den Bewegungen. Kontrolliert. Keine Eile und nicht geltungsbedürftig. Guckt den ganzen Tag nur wenige Male auf sein Smartphone. Sein Kumpel ‘Party-Dude’ hat schon 23 Menschen in Singapur auf dem Weg zum Café angesprochen oder sogar klargemacht. Ihn darf man echt nicht alleine lassen. Ich raffe erst viel später, wie viel Jack mich fragt. Von Anfang an. Ich antworte. Unbekümmert. Fühle mich wohl bei ihm. Ich finde wir harmonieren in allem. Gleicher Vibe. Bin ich etwa auch ohne Hektik und kontrolliert? Ich bin in der Kommunikation in dieser Runde so gar nicht aktiv. Ich laufe hinterher. Ich sauge die Jugend auf. Wir müssen noch Bargeld besorgen. Eigentlich ist Singapur weit vorne in allem, aber dein Tee und koreanisches BBQ bezahlst du noch mit Bargeld oder mit der Local App. Der deutsche Sozialarbeiter, Jack und ich dackeln also noch zu einem ATM. In einer kleinen muslimischen Einkaufsmeile. Es findet eine Katzenshow statt. Peta wird das gleich alles stürmen, da bin ich mir sicher. Jack und ich verlieren den Deutschen und wir gehen alleine zurück zum Café. Was ich denn heute so gemacht hätte, fragte er mich. Ich will unbedingt Little India erleben, denn das kann ich mir so gar nicht vorstellen, sage ich. Ich war noch nie in Indien und ich muss das ausnutzen, schiebe ich hinterher. Und na klar, das National Museum. Ansonsten einfach schlendern. Kein Plan. Ach, und die öffentliche Bibliothek. Die gucke ich mir überall an. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich habe lange überlegt. Es ist natürlich nur meine Wahrnehmung und wenn man ihn über diese Begegnung befragt, dann kommt dabei etwas ganz anderes raus. Ich kann ja nur meine Eindrücke, Gefühle und Interpretationen beschreiben. Er war interessiert. In diesem Moment. Aufrichtig. Small Talk bei der Hitze macht keiner freiwillig. Eine alte Person? Einer älteren Frau? Einer neue Person in der Gruppe, einfach interessiert. Diese Welt erfragen. Sehr aufrichtig und einfach süß. Ich hatte schon lange nicht mehr so ein Gefühl gehört und gesehen zu werden. Ja, das trifft es. Ich wurde gesehen und ich war bereit, gesehen zu werden. Und da sind wir wieder bei meiner heilenden Reise. Raus aus der 9to5 Komfortzone. Ich löse mich von der Show und alten Mustern und bin ich. Mit allem, was ich zu bieten habe. Talente, Charme, Makel ….ein bunter Mix. Altrosa mit Streifen. Und ich verstelle mich nicht mehr. Denn wie ich bin, ist es ok. Egal, was dir als Kind eingeredet worden ist und du im schlimmsten Fall auch geglaubt hast. Vielleicht bin ich nicht verliebt in ihn – sondern in das, was durch ihn in mir lebendig geworden ist. Eine tiefe Resonanz. Seelenverwandtschaft auf Zeit. Ich war nicht die Ältere, die Vernünftigere, die schon 20 Jahre (Ja, ok. Vielleicht sogar 25 Jahre mehr Leben!!) älter ist. Ich wollte nicht beeindrucken und gefallen, weil ich so viel mehr weiß und erlebt habe. Weiß ich doch gar nicht. Das alles gibt es bei mir nicht mehr. Ich bin selbst nicht mehr begeistert von dieser Attitüde. Roh und ohne das Bedürfnis, zu beeindrucken oder etwas darzustellen. Eine ganz andere Voraussetzung, sich zu begegnen. Es hat von Anfang an in dieser Begegnung keine Richtung gegeben. Jetzt. Hier. Mehr nicht.
Er sagt, dass er sich das auch angucken kann. Also Little India und das Museum. Ich übersetze das so, dass er sich das auch vorstellen könnte, zu besuchen. Das Katerfrühstück im Café sind Waffeln mit einmal alles. Türkische Eier. Ich muss keinen Kater bekämpfen. Ich entscheide mich für einen Tee. Jack und ich haben eine tiefe Seelenverwandtschaft, weil wir beide Hunde mögen. Ich sag es euch – wir sind füreinander geschaffen. Wir witzeln und verstehen uns blind. Die beiden Amis kommen aus Wisconsin und ich sage automatisch prollig und laut: W I S S S K O O O N Z I I I I N. Und beide kommentieren, dass das jeder macht, der nicht aus den USA kommt. Echt? Naja, das ist doch das Intro von der Serie ‚That 70’s Show‘. Das geht den ganzen Tag so: W I S S S K O O O N Z I I I I N. Und jetzt im Chor! Yes. Ich bitte den Party-Typ (Ich weiß bis heute nicht seinen Namen! In ihn habe ich mich ja auch nicht verliebt! Also nicht so relevant!), mir seine Heimatstadt/seinen Bundesstaat zu verkaufen. Warum sollte ich, Frau Klamm, dort vorbeikommen. Was bietet ihr mir? Pitch Me, Please! In einem Satz. Mein Lieblingsspiel. Und es rattert und dieser coole Typ lässt sich von mir schon mal gar nicht aus der Ruhe bringen und dafür mag ich ihn noch mehr. ‘We have Lakes!’ Ok, die Kampagne steht: Wisconsin – We Have Lakes! Ich weiß jetzt auch, in welcher Bar er dort arbeitet. Bei Google Maps gespeichert. Da schaue ich vorbei, wenn Trump nicht mehr im Amt ist.
Den Jungs geht es nach der Nahrungsaufnahme besser. Und nun? Jetzt stehen wir wie verpeilte Teenager vor dem Café. Naja, ich weiß immer was ich machen kann oder entscheide einfach. Ich gebe den Jungs noch ein bisschen ….Jack sagt in die Runde: ‘Also ich würde mir ja Little India angucken oder ins Museum.’ Da hätte ich ihn am liebsten das erste mal gedrückt. Janz feste. Keine Reaktion der anderen Jungs. Manchmal weiß man auch gar nicht, ob die sich gegenseitig zuhören. Eine verballerte Rasselbande. Unkontrollierte Hormonschleudern. Wir stimmen ab. Nicht Little India. Noch nicht. Strand. Alles klar. Nächste Station Beach, Baby. Nochmal schnell ins Hostel und packen. Der Party-Ami betont, dass er kacken muss. Ich habe keine andere Information nach der Portion Waffeln von ihm erwartet. Wir laufen an den traditionellen Häusern im Viertel vorbei und ich kann es nicht lassen und zeige den Jungs, dass das typisch für diesen Kiez ist. Und der nächste Spruch: Diese Häuser haben meine Familie und ich gebaut! Ich kenne noch jemanden in meinem Leben, der so druf ist und ich liebe ihn. Ich lache. Wir verabreden uns in wenigen Minuten in der Hostelküche, um loszugehen. Jeder packt seine Sachen oder auch nicht. Die Amis haben nur ihr Telefon mit. Die Deutschen haben ihre Jutebeutel dabei. Gleiches Alter. Unterschiedliche Kulturen. Ich bin dafür, dass wir laufen. Dieses Mal stimmt man mir zu. Einfach geradeaus. 20 Minuten in der Hitze. Weiter geht’s mit den Fragen von Jack: Gehst du gerne shoppen? Ich kann ihm jetzt einen Vortrag über die Veränderung zu meinem Konsumverhalten im Laufe meines Lebens halten. In den Zwanzigern war es wichtig – klar. Und auch ok. Dann habe ich gemerkt, dass ich diese Betäubung nicht brauche und das nicht meine Ablenkung für meine Probleme sein kann. Aber ich sage einfach: Nope. Nächste Frage: Was machst du so? Ich erzähle ihm kurz, wie ich hier gelandet bin und wie ich das jetzt alles so sehe. Kein Kommentar! Einfach ein Nicken von einem süßen Boy Anfang 20. Er will in die Finanzwelt. Studiert und das überall …Europa. Neuseeland. Uff. Jetzt weiß ich auch, was in der Garage seiner Eltern steht. Er war schon überall snowboarden. Kennt Europa auswendig. Alles klar. Endlich am Strand. Ich stelle ihm auch Fragen, aber irgendwie übernimmt er die Moderation. Nur die Party-Granate und ich gehen in das warme Wasser. Erfrischung ist anders. Einfach nicht geil. Aber besser als nichts. Ich reibe mich mit dem Sand ab. Peeling für umme. Wenn ich schon mal hier bin. Ich muss dann immer an die Szene in dem Film Gattaca denken. Ich kann nicht still sitzen. Strandurlaub ist gerade nichts für mich. Ich stehe auf und bitte Party-Guy aufzustehen. Ich zeige ihm jetzt etwas. Es hat mit Magie zu tun. Er macht mit. Ich zeige ihm, was man erreichen kann, wenn man seine Faszien dehnt. Er schreit laut auf, als er das Ergebnis am eigenen Leib erlebt. WOW! Die zwei Deutschen liegen mit T-Shirt am Strand und bewegen sich nicht. Nur die Amis im BeachBoy-Kostüm sind aktiv. Jack springt auf und will das auch machen. Nun stehe ich zwischen den zwei Hübschen in einem zusammengewürfelten Bikini. Nicht, dass das irgendwie wichtig für das Ganze ist, aber ich kann es selbst kaum glauben: Ich zeige den Jungs aus W I S S S K O O O N Z I I I I N, die ich seit eineinhalb Stunden kenne, meinen Zaubertrick mit den Faszien – in türkisen Hotpants und einem rosa Sport-BH. Ich hab sie. So einfach. Wir machen noch ein paar Übungen. Jack findet einen Ball und wir werfen uns in verschiedenen Varianten den Ball zu. Er versucht mir die Regeln von American Football zu erklären. Natürlich spielt er auch Basketball und Football. Hätte er mich auf den Abschlussball eingeladen? Er vergisst kurz, dass er eine zarte Elfe vor sich hat und wirf den Ball wie in einem Baseballspiel …ich konnte gerade noch so ausweichen. Das wäre eine Platzwunde geworden …Er wird so richtig rund gemacht von den Jungs. Na sag mal …geht’s noch. Das war ihm so unangenehm. Sich kurz vergessen? Er hat nicht aufgehört, sich zu entschuldigen. Wolken ziehen auf. Es wird dunkel und wir beschließen aufzubrechen. Aber wohin. Der eine Deutsche verabschiedet sich. Sein Flieger geht bald. Ich frage Jack heimlich, ob ich mit dem nassen Hemd so rumlaufen kann oder abgeführt werde. Sieht halt einfach echt nach Bondi Beach aus. In Singapur ist man etwas leiser und zurückhaltender. Die Menschen sind hier sehr leise. Darum frage ich und er sagt so heilend: ‘Wir werden es herausfinden!’ Und Jack sagt dann in die Runde: Also Little India. Ich habe kein Problem, dahin zu laufen. Wie lange dauert das? Er guckt mich an. Jetzt bin ich definitiv verliebt. Ich checke die App und sage: Na, ne jute Stunde! Er: Ok. Kennt ihr das, wenn sich zwei Menschen in einer Gruppe unterhalten und eigentlich einen Dialog führen, aber die Gruppe als Alibi genutzt wird. So hat sich das angefühlt. Also für mich. Wir machen los Richtung Indien. An der Promenade lang. Es ist 34 Grad. Schwül. Es regnet. Es ist alles eine absolute Frechheit. Und es joggen Leute an der Promenade. Was stimmt nicht mit euch. Wir singen und reden nur Quatsch. Keine Show …zu warm. Keinen Grund. Der Deutsche ist noch ein bisschen auf ‘Ich kann und bin was’. Es ist ok, du bist Deutsch, jung und so sozialisiert. Er machte sich hinter dem Rücken vom Party-Boy lustig, dass er nicht wusste, dass HongKong nicht die Hauptstadt von China ist. Auftritt Frau Klamm. Ich habe auch den Hang bissl zu lästern. Aber nicht so! Nicht mehr! Meine Ansage ganz freundlich und als Denkanstoß gemeint: Du hast Geologie studiert! Er weiß Dinge, die du nicht weißt. Da bin ich mir ganz sicher. Jeder weiß was! Dass er überhaupt in einer Runde gefragt hat, sich getraut hat, das zu fragen. Er kann sicher (‘We have Lakes!’) Fische ausnehmen und hat einen Bootsführerschein. Du nicht! BOOOOOM! Frau Klamm, bist du eklig, sozial und fair. Wo kommt das denn her?! Der Deutsche ist ruhig und stimmt mir zu. Ich glaube, da sind gerade 5 Rollen Groschen gefallen. Meine gute Tat heute. Zurück zu meinem Jack. Die wichtigen Dinge in meinem Leben. Er bemerkt, dass mein Rucksack offen ist. Er macht mich darauf aufmerksam und ich nicke nur. Es ist mir nämlich egal. Aber nicht Jack. Na gut. Ich lasse ihm den Raum, mich zu fragen, ob er mir den Rucksack zumachen soll, und warte ab, was er als nächstes tun wird. Es dauert gefühlt Minuten. Und natürlich darf er später auch sein Telefon in meinen Rucksack verstauen. Sein Opa ist Deutscher. Er hat einen deutschen Nachnamen. Wir üben ein paar deutsche Worte, die mir halt wichtig sind: Taschentücher, Alles Gute! … Bei einer Sache bin ich die Mutti in dieser Runde! Ich habe literweise Wasser dabei. Die Jungs keinen einzigen Tropfen. Also reiche ich regelmäßig meine Trinkflaschen rum. Also wirklich, Kinder! Wir gehen einer Frau entgegen, die auf einem Fahrrad sitzt, aber nicht fährt. Daneben ein älterer Mann. Und ich weiß schon, warum ich Party-Mate so mag, denn wir sind uns gar nicht so unähnlich. Wir beide stürmen auf diese junge Frau und fragen, was hier los ist. Wir haben die gleiche Art, frei auf Menschen zuzugehen. Auch mit einer frechen und provozierenden Art. Sie lernt heute, wie man Fahrrad fährt. Neben ihr der Vater! What? Sie hat in wenigen Tagen ein Event, wo sie Fahrrad fahren muss. Wir bleiben stehen und wollen sie anfeuern. Das findet sie nicht gut. Wir ziehen uns zurück, aber wir beide gucken dann doch nochmal und denken das gleiche: Der Vater soll doch mitlaufen. Und dann sehen wir wenige Meter weiter einen Fahrradverleih. Wir gucken uns alle an und es ist beschlossen. So einig waren wir uns heute noch nie. Jack zahlt für mich, weil ich seine Waffeln bezahlt habe. Er hat seine PIN nicht gewusst am Geldautomat. Das Telefon im Hostel gelassen. Wie sympathisch. Deal. Brauchen wir ein Schloss? Der Deutsche ist sich unsicher. Aber wir entscheiden uns dagegen. Soll doch sicher hier sein. Einen Helm. Kann man gar nicht leihen. Hab ich nicht gesehen. Und los geht’s! Bei den Temperaturen einfach geil und cruisen an der Promenade. Party-Bob übernimmt die Führung. Navi ist an. Ab nach Little India. Und jetzt folgt eine Stadtrundfahrt durch Singapur. Und ich bin mit unbeschwerten Jungs unterwegs, die keine Angst vor einer Kreuzung, roten Ampeln und einer Querschnittslähmung haben. Ich bleibe konzentriert, aber ich schwinge mit. Auf engen Gehwegen. Dann mal auf dem Fahrradweg. Aber auch einfach mal über eine Kreuzung, wo gleich 200 Autos auf uns zukommen. Die Skyline von Singapur. Das National-Stadium. Gigantisch. Alles. Wir halten an. Staunen. Es regnet wieder. Ich reiche die Trinkflasche an der Ampel rum. Wir klingeln uns wie Kinder durch die Menschenmassen. So frech. Ich liebe es. Jack und ich manchmal nebeneinander und ein paar Frage- und Antwortspiele zwischendurch. Sex ist Dauerthema bei Party-Tom! Frauen, Sex, Party …Pussy, Baby! I like it! Nie sexistisch. Einfach nur fokussiert auf die eine Sache! Aber die meiste Zeit cruisen wir einfach friedlich. Einmal halten wir an und lassen die Räder stehen und sagen einem Kind, es solle aufpassen. Nach 15 Minuten stehen die Räder noch da, aber der Junge ist schon weg. In Berlin wäre das anders gelaufen. Jetzt zählen wir die Minuten. Wo ist denn jetzt Little India? Hunger! Es wird enger und enger. Weg von den Highways. Ab in die Kieze. Und da ist es. Und vier weiße, große Menschen auf ihren Fahrrädern mittendrin. Wir fallen auf. Definitiv. Diese Hektik. Die Gerüche. Die Menschenmassen. Ja, so habe ich mir das vorgestellt. Und jetzt? Restaurant. Ok. Jetzt bin ich die, die führt. Denn dieses Chaos und dieser Flow für ein passendes Restaurant ist mein Ding. Wir schieben unsere Räder durch die Massen. Gaffen und lassen diese Blütenpracht, die Geschäfte auf uns wirken. Ich bleibe stehen und sage, das ist es. Pinke Stühle. Der Vibe gefällt mir hier. Ich kläre ab, ob wir unsere Räder hier am Eingang abstellen können. Alles so eng, laut und dreckig. Man hilft uns. Und aus dem Nichts verabschiedet sich der Deutsche aus Bonn. Ihm ginge es nicht gut. So ganz ergründen können wir es nicht. Wir verabschieden uns. Er bekommt noch die Koordinaten zum Fahrradverleih, damit er das Fahrrad abgeben kann. Und dann ist er auch schon weg. Also bin ich mit meinen beiden Lieblingsjungs alleine unterwegs. Ich regel. Tisch. Menü. Mango Lassie. Ich gehe prinzipiell, seit Singapur, davon aus, dass ich mich nach jedem Snack auf den Märkten und Restaurants in wenigen Minuten (Horror!!) oder Stunden übergeben muss oder am besten auch in die Hose mache. Mitten auf der Straße. Ich freue mich schon drauf. Egal. Auch das werden wir meistern, wenn es soweit ist. Ich schlürfe den kalten Lassie. Perfekt. Ich schenke uns Wasser ein. Mein Job heute! Wir stoßen an. Auf uns! Jack geht sich vorbildlich die Hände waschen. Waschbecken sind in Singapur immer in der Nähe von Restaurants zu finden. Die Hälfte der Bevölkerung isst mit den Händen. Und das machen wir auch! Wir zeigen auf etwas in der Karte und man weigert sich, uns das zu bringen. Haha. Zu scharf. Wir scheitern schon an den Dips, die auf allen Tischen stehen. Wir bestellen immer wieder etwas Neues. Essen kreuz und quer. Wir sind zum ersten Mal in Indien und das sieht man uns auch an. Was denn mein Lieblingsessen ist, fragt mich Jack. Eintopf! Er liebt Sushi. Was denn sein Nachname bedeutet. Ein deutscher Name. Ich tanze seinen Namen. Die Hitze. Ich kann einfach auch nicht mehr. Wir haben Spaß. Wir befriedigend es sein kann, mit den Fingern zu essen, findet Party-Billy. Ja, er sagt es. Das war eine richtig gute Erfahrung. Und jetzt kurz Metakommunikation, Gefühle und ehrliche Worte. Ganz kurz. Wir sagen uns gegenseitig, wie schön das gerade hier ist und wir nicht damit gerechnet haben, dass dieser Tag so verläuft und wir dankbar sind. So, genug! Weiter einfach sein und leben …Wir haben noch eine Stunde um die Räder rechtzeitig zurückzubringen. Wir brausen (Ich lache! So ein schönes Verb!) davon …Jack schmeißt Musik an …hier kommt das einzige und letzte Mal mein Alter ins Spiel. Ich schmeiße Jay-Z aus 1999 an. Da waren die beiden nicht mal geboren oder geplant. UNFASSBAR. Wir halten noch kurz bei einem Konzert in einem Hinterhof. Ich glaube, das war chinesisch. Der Mix in dieser Stadt – einmalig. Es ist dunkel und die Ampeln, die wir ignorieren, sind eindeutig rot. Wir schwitzen. Es ist so eklig warm. Wir sind auf die Minute genau zurück. 3 Stunden! Und wir beschließen nach Hause zu laufen. Eigentlich nimmt man sich hier ein ‘Grab’ – eine App in Südostasien. Kontrolliertes Trampen. Aber ich sage, dass ich laufen werde. Unabhängig davon, was die Jungs machen. Und wir laufen gemeinsam zurück – eine weitere Stunde. Wir schlürfen durch die Straßen und sind bei uns angekommen. Als ob wir uns Jahre kennen. Eine schöne Situation mit Jack war, dass ich vor ihm lief und ich kommentiere, dass er ein ganz schön privilegiertes Leben führt. Er sagt aus 3 Metern hinter mir, dass er das weiß und dankbar ist. Ich, ohne mich umzudrehen: Ich weiß. Noch einmal sagen wir uns, dass wir für den Tag dankbar sind. Knapp 12 Stunden waren wir zusammen. Auf der Treppe zu unseren Zimmern ist es Zeit, sich zu verabschieden. Jack, verlass mich nicht. Du hast mir so gut getan. Ich habe mich lange nicht mehr so wohl gefühlt. Neben einem Menschen, einem Mann? Du hast mir so ein gutes Gefühl gegeben oder in mir ausgelöst. Niemand, der sich neben mir beweisen wollte. Du erkannt hast, wie es mir geht. Ich war bei mir und du mir das die ganze Zeit gespiegelt hast. Du hast mich berührt. Und du kamst gerade richtig. Ich war bei mir. Seele und Körper. Ich war im Moment und du mein Begleiter. Ich habe dich zu meinem Begleiter gemacht. Du hast etwas in mir geheilt. Gesehen zu werden. Unaufgeregt und ohne Show. Wir umarmen uns und wünschen uns Alles Gute!. Es sollte genauso sein! Mein erster Tag in Singapur. Ich wünsche mir, Jack irgendwann wiederzusehen. Die Jungs üben noch Alles Gute! auszusprechen, als sie die Treppe hochgehen. Ich höre das noch, obwohl wir uns nicht mehr sehen. Ich rufe laut ins Treppenhaus: Alles Gute! Sie wiederholen es und diesmal sitzt es! Liebe! Für immer! W I S S S K O O O N Z I I I I N.
*„Frat Boy“ kommt von amerikanischen „Fraternities“ – also Studentenverbindungen an Unis. Ein Frat Boy ist jemand, der dort Mitglied ist. Oft wird das Klischee damit verbunden:
- sportlich, laut, selbstbewusst
- feiert viel, trinkt viel
- wirkt manchmal unreif oder machohaft
- hat oft ein „cool guy“-Auftreten, kann aber auch unsensibel wirken
Es ist also ein Begriff, der oft leicht spöttisch oder kritisch gemeint ist, so wie: „Der typische College-Typ, der Party über alles stellt und sich für unwiderstehlich hält.“
Manchmal wird’s aber auch liebevoll gemeint – wenn jemand jugendlich wild, frei und etwas ungestüm wirkt.